2455 - Sieg der Moral
Natürlich, wie konnte es anders sein? Am anderen Ende war Perry.
„Icho Tolot und ich sind wohlauf", sagte er knapp. „Wir werden uns um die JULES VERNE kümmern, sobald Zeit ist. Bis dahin haltet still und greift keinesfalls in die Geschehnisse ein!"
Damit beendete er die Nachricht.
Typisch, dachte sie. Er hatte wahrscheinlich zu viel um die Ohren, um sie in aller Ausführlichkeit zu informieren, doch immerhin wusste man an Bord der VERNE nun Bescheid.
Mondra konnte sich denken, in welches Geschehen sie nicht eingreifen sollten. So gesehen war Perrys Anweisung überflüssig, denn die JULES VERNE saß fest; sie konnten gar nicht aktiv werden.
„Die Analyse liegt vor", meldete der Bordrechner der JULES VERNE. „Mit einer Wahrscheinlichkeit von zweiundneunzig Prozent werden die Vorgänge auf Evolux zu einer Führungskrise und zu größeren gesellschaftlichen Verwerfungen führen. Die Detailanalyse ist jederzeit abrufbar."
„Ich komme darauf zurück." Mondra richtete sich auf eine längere Wartezeit ein.
Sie hasste es zu warten, wäre am liebsten – wie Perry es wohl vorhergesehen hatte – aus dem Schiff gestürmt und hätte sich draußen erkundigt, was Sache war. Eine Stunde verging, und sie ließ die Analysen von NEMO überarbeiten und studierte sie zum wiederholten Male.
Auch nach zwei Stunden schien an der Oberfläche rein gar nichts zu geschehen, jedenfalls nichts, was sie in der JULES VERNE mitbekämen. Mondra war sich jedoch darüber klar, dass unter der Oberfläche dramatische Ereignisse im Gang waren.
Nach drei Stunden geriet Bewegung in die Sache.
Nein, dachte Mondra. Das kann nicht wahr sein ...
*
Der Sache, der alle sich verpflichtet fühlten, den Zielen der Kosmokraten, war empfindlich geschadet worden, aber mit ein wenig Glück blieb es eine Episode, die sich über lange Sicht ausgleichen würde.
Das allerdings hing von einem wesentlichen Faktor ab, wie Dyramesch sehr genau wusste: ihm.
Sein Rückzug als Oberster Sequenz-Inspektor würde den entstehenden Schaden so gering wie möglich halten, daher blieb ihm keine andere Wahl.
Er gab einige letzte Befehle, und danach verkündete er in einer offenen Botschaft auf allen Kanälen seine Entscheidung.
*
Die VERNE hatte wieder Zugang zu den Nachrichtenströmen, und per Funk wurden durch sämtliche Segmente der Weißen Welt Nachrichten gesandt, die umwerfend sensationell waren.
So umwerfend sensationell, dass Mondra sich erst einmal setzen musste.
„Perry", flüsterte sie grinsend, „du alter Fuchs hast es wieder mal geschafft!"
War das das Ende all ihrer Probleme?
Dyramesch, der Oberste Sequenz-Inspektor von Evolux und Kosmofekt in Personalunion, war von seinen sämtlichen Ämtern zurückgetreten.
Die Leitung der Werftbetriebe fiel damit an die Yakonto zurück.
War die JULES VERNE damit endgültig frei?
Und ... was wurde aus der Weißen Welt ..?
*
Wie lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet?
Ewigkeiten, und nicht nur subjektive!
Wan Ahriman musste sich stützen lassen, als er das Aulicio Mac’lai verließ. Nicht von seinen Ratskollegen, denen ging es nicht viel besser als ihm, sondern von den Yakonto, die ihn zuletzt versorgt, beschützt und verborgen hatten.
Aber er spürte bereits, wie ihn neue Kraft durchfloss, wie es ihm mit jedem Schritt besser ging.
Dyramesch war zurückgetreten! Darauf hatte man im Aulicio lange gewartet.
Aber ausgestanden war die Sache keineswegs. Es kursierten zwar zahlreiche widersprüchliche Nachrichten, doch allmählich zeichnete sich ab, dass der amtierende Sequenz-Rat die Kontrolle über Evolux übernommen hatte – oder zumindest übernehmen wollte.
Kalte Wut ergriff Wan Ahriman. Der Sequenz-Rat, in dem sich soeben ein Subjekt namens Vanta Aquinto zum Sequenz-Direktor erklärt hatte!
Seine Getreuen führten ihn und die anderen acht zu den Gleitern. Eskortiert von einer Yakonto-Garde verließen sie das Wohnsegment Macallio und gelangten durch den Transmitter-Tripod nach Beliosa.
Neugierig schaute Wan Ahriman aus dem Fenster. Wie lange war es her, dass er Evolux mit eigenen Augen gesehen hatte und nicht nur in Holoaufzeichnungen?
Unmengen von Gleitern unterschiedlichster Bauarten flogen durch die Viertel. Auf den Straßen waren Vertreter der verschiedensten Völker unterwegs, wälzten sich scheinbar ziellos voran, unentwegt auf der Suche nach den neuesten Gerüchten oder Fakten. Noch nie hatte er dermaßen viele Sathox gesehen, wie gegenwärtig
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