247 - Der Kerker der Pandora
verlassen, kurz nachdem er sie dem Kaiser als seine zukünftige Braut vorgestellt hatte.
»Ich habe diese Küchenhilfe geschwängert, Vater. Jetzt soll sie meine Frau werden«, hatte er triumphierend erklärt. Pilatre de Rozier hatte getobt und Sali war tief verletzt aus dem Palast gelaufen.
Als er jetzt daran dachte, schämte er sich zutiefst. Salimata hatte ihn aufrichtig geliebt. Welches Recht hatte er gehabt, so mit den Gefühlen anderer zu spielen?
Vielleicht war es doch keine so gute Idee, die Frau in Spekgulf aufzusuchen. Er ließ den Kopf sinken und sein Blick glitt über die Goldstickereien seiner Jacke, die Rüschen seines Hemdes und die Flicken auf seiner knielangen Hose. Dabei fiel ihm wieder der Eremit Member ein, der seine Beinkleider mit diesen Flicken versehen hatte. Noch heute trug der Prinz auf seinen Reisen dieses Kleidungsstück – im Gedenken an den Alten, bei dem er vor seiner Rückkehr nach Wimereux eine lange Zeit verbracht hatte und dabei mehr über sich und sein Leben erfahren hatte als in all den Jahren bei Hofe und den Reisen in ferne Länder. Eine Zeit, in der er sich durchgerungen hatte, das dunkle Kapitel seines Lebens zu schließen, um ein Neues beginnen zu können.
Entschlossen hob er wieder sein Haupt. »C’est’ca, was geschehen ist, ist geschehen. Ich kann es nicht mehr ändern. Doch wenn möglich, werde ich Wiedergutmachung leisten.« Seine Stimme übertönte das Stampfen der Kolben. Wie ein Gebet wiederholte er das Gesagte. Solange, bis er ein erhabenes Gefühl in seiner Brust fühlte: Stolz! Stolz über seinen verwegenen Plan, Salimata persönlich entgegen zu treten.
Als er sein Ziel erreicht hatte, flog er eine kühne Schleife über das Dorf. Doch schon als er abseits der Siedlung am Seeufer landete, war nichts mehr übrig von Stolz und Verwegenheit. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und am liebsten wäre er wieder auf und davon geflogen.
Es waren die spielenden Kinder, die ihn davon abhielten, über eine Flucht nachzudenken. Kreischend und singend tollten sie auf die Rozierengondel zu. »Ein fliegendes Schiff, ein fliegendes Schiff!«, hörte er sie krähen. Gleichzeitig tauchten hinter den Schilfgräsern am Ufer Frauengestalten auf. Sie reckten ihre in Tücher gewickelten Köpfe und deuteten mit nassen Fingern auf das Luftschiff. Nun gab es kein Zurück mehr.
Victorius straffte seinen Körper und hängte sich eine Ledertasche um die Schulter. Auf seinem Weg zur Luke kehrte er noch einmal zu dem Schrank neben den Armaturen zurück und öffnete dessen Verschlag. Er wollte Salimata auf gar keinen Fall als aufgeblasener Pfau begegnen. Ausgiebig betrachtete er sich im Spiegel der Innentür. Außer seinem auf der Reise fleckig gewordenem Rüschenhemd und der geflickten Hose passte nichts an ihm zu seinem Vorhaben. Geschwind riss er sich die pinkfarbene Perücke vom Kopf, zog Jacke, Strümpfe und die Lackschuhe mit den Silberspangen aus. Kurzerhand entschloss er sich, barfuß aufzubrechen.
Bevor er die Gondelluke öffnete, spuckte er noch schnell in die Hände und brachte seinen akkurat geschnittenen Krauskopf durcheinander. Als er dann den weichen Grasboden vor seinem Luftgefährt betrat, umringten ihn im Nu lachende Kinder und schwatzende Frauen. Letztere trugen Waschzuber auf ihren Köpfen. Allesamt bestürmten sie ihn mit Fragen. Allesamt wollten sie sich die Roziere von innen anschauen.
»Später, später«, vertröstete der Prinz sie. Mit einem geduldigen Lächeln und so viel Charme, wie er in seiner besonderen Situation aufzubringen vermochte, verschaffte er sich nach und nach Gehör.
Als endlich auch die letzte Stimme verstummt war und die Menschen ihn aufmerksam ansahen, nannte er seinen Vornamen und fragte nach Salimata. Jetzt änderten sich die Blicke seiner Zuhörerschaft. Ein erstauntes Murmeln hob an. Kinder und Wäscherinnen begannen ihn nun von oben bis unten zu begutachten. Er kam sich vor, als hätte er seinen Körper auf dem Markt feilgeboten.
Nach einer Weile kicherten einige der älteren Kinder. Die Wäscherinnen steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Victorius konnte sich keinen Reim darauf machen. Unsicher blickte er an sich herunter. Schließlich trat eine dicke Frau auf ihn zu. »Willst du Sali in amtlichen Angelegenheiten sprechen oder privat?«
Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Hatten sie doch seine Herkunft bemerkt? »Privat«, antwortete er verdutzt. Als ob das ihr Stichwort wäre, jubelten Wäscherinnen und Kinder im Chor.
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