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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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»Sali bekommt Besu-uch, Sali bekommt Besu-uch.« Ehe Victorius sich versah, nahmen sie ihn in ihre Mitte und geleiteten ihn singend und tanzend ins Dorf. Der Prinz war ziemlich durcheinander. Diese Leute hier waren entweder die Ausgeburt an Fröhlichkeit oder völlig verrückt. Wie auch immer – seinen unauffälligen Auftritt bei der einstigen Geliebten konnte er jetzt vergessen.
    Als sie durch das Palisadentor von Spekgulf zogen, wurde alles noch schlimmer: Aus Stallungen, Werkstätten, Hütten und dem kleinen Wochenmarkt strömten die Menschen herbei, um zu sehen, welchen Grund zur Freude es gab. Schließlich war der Prinz von der gesamten Dorfschaft umringt. Annähernd einhundert Menschen schätze er. Die Männer lachten, die Frauen zwinkerten ihm zu und die Kinder sangen. »Auf zum Ratshaus!«, rief eine laute Stimme. »Ja!«, kam die ohrenbetäubende Antwort aus hundert Kehlen. Dann durchquerten sie mit ihm das Dorf.
    Zum Ratshaus? Victorius fluchte innerlich. Wussten sie etwa, dass er der Vater von Salis Kind war? Wollten sie ihn jetzt auf der Stelle verheiraten? Doch kurz vor ihrem Ziel drängte sich ein alter Mann an seine Seite und klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. »Gut so, Junge. Sie ist eigentlich gar nicht so schlimm. Sie mag eben nur keine Männer.«
    »Wirst du ihn wohl nicht entmutigen«, zischte von der anderen Seite die dicke Wäscherin. »Wir haben jetzt lange genug gewartet, dass endlich jemand kommt, um unsere Sali glücklich zumachen.«
    Bevor der Alte etwas erwidern oder der Prinz Fragen stellen konnte, hatten sie das Ratshaus in der Dorfmitte erreicht. Vor den Stufen des lang gezogenen hölzernen Flachbaus, der zwischen den meist einfachen Hütten seltsam deplatziert wirkte, zogen sich die Dorfbewohner von Victorius zurück und bildeten einen lichten Halbkreis. Schlagartig wurde es still. Nur die dicke Wäscherin schrie aus Leibeskräften: »Bürgermeisterin, du hast Besuch!«
    Bürgermeisterin? War Salimata tatsächlich die Vorsteherin dieses Dorfes der Verrückten? Wie alle anderen starrte auch Victorius auf das geöffnete Portal oberhalb der Treppe. Aus dem Dunkel dahinter löste sich jetzt eine Frauengestalt. Ein Kind an der Hand, betrat sie die Veranda zwischen Stiegen und Eingang. Sie trug ein langes hellblaues Gewand und ihre Krauselocken wurden von einem roten Band gebändigt.
    Salimata! Sie hatte sich kein bisschen verändert. Der Blick ihrer olivefarbenen Augen ruhte auf ihm. »Was willst du hier, Victorius de Rozier?«, fragte sie mit rauer Stimme.
    »De Rozier? Einer der Prinzen?«, echote es von allen Seiten. Victorius nahm das staunende Gemurmel um ihn herum kaum wahr. Unsicher blickte er von Sali zu seinem Sohn. Er sah ihm ähnlich: die Stupsnase, die Gesichtszüge, die tiefschwarze Haut. Auf drei Jahre schätzte der Prinz das Kind. Gleichzeitig schämte er sich, dass er nicht einmal das Alter seines Sohnes wusste. Auch hatte er die Rede, die er sich für Sali zurechtgelegt hatte, vergessen. Was nur sollte er ihr sagen? Unsicher schaute er sie an. »Ich… wollte meinen Sohn sehen«, stammelte er.
    »Seinen Sohn? Salis Kind ist der Sohn eines Prinzen?« Verwundertes Stimmengewirr wurde laut. Doch es verebbte schnell wieder, denn keiner wollte verpassen, was weiter geschah.
    Ein dunkler Schatten huschte über Salimatas Gesicht. »Gut, jetzt hast ihn ja gesehen. Dann geh wieder!« Damit drehte sie sich um und machte Anstalten, ins Haus zurückzukehren. Auf dem Platz war es mucksmäuschenstill geworden. Erwartungsvoll starrten die Dorfbewohner den Prinzen an. Der wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Seine Knie fühlten sich butterweich an und sein Herz schlug ihm bis zum Halse. Was hatte er erwartet? Dass Sali ihm um den Hals fiel? Dennoch wollte er sie nicht gehen lassen. »Warte, ich muss mit dir reden!«, rief er und sprang die Treppe hinauf.
    »Dann lass dir einen Termin von meiner Assistentin geben«, erwiderte die Bürgermeisterin, ohne sich umzusehen.
    Victorius war nun direkt hinter ihr. »Wie heißt unser Sohn? Wie lautet sein Name?«
    Endlich drehte sie sich um. Sie reckte ihr Kinn, und in ihren Augen lag ein kämpferisches Funkeln. »Pilatre. Er heißt Pilatre.«
    ***
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    Im Wintergarten des Frauenpalastes saß Naakiti und tat, als ob sie lese. In Wirklichkeit aber verfolgte sie das rege Treiben, das vor den offenen Türflügeln zum angrenzenden Gesellschaftszimmer herrschte: Königin Elloa bereitete sich mit einem Dutzend

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