247 - Der Kerker der Pandora
Gesichtsausdruck legte sie ihre Beine übereinander. »Die Idee ist sogar noch besser als das, was ich mir für Elloas Ende ausgedacht habe.«
Naakiti wurde blass. Sie konnte kaum glauben, was Babagaya da von sich gab. Hörbar sog sie die Luft ein. »Du… du willst sie doch nicht etwa töten?« Fassungslos starrte sie die Kriegerin an, die gelassen mit ihrem Bein auf und ab wippte.
»Natürlich will ich das. Glaubst du, ich habe Lust, jeden Tag meine Speisen vorkosten zu lassen, um sicher zu sein, dass diese Hexe mir nicht irgendwelche Giftpülverchen hinein gemischt hat? Mein Schlafzimmer künftig abzuschließen oder darauf zu warten, wie sie de Rozier davon überzeugt, dass es nicht schicklich für Kaisergemahlinnen ist, einer Arbeit nachzugehen?«
Unfähig, etwas zu erwidern, schüttelte Naakiti nur den Kopf. »Aber…«
»Nichts aber«, unterbrach Babagaya sie und sprang von ihrem Sitz auf. Aufgeregt tigerte sie durch den Raum. »Genau das blüht uns, wenn es ihr gelingt, den Kaiser zu heiraten. Elloa wird nicht eher Ruhe geben, bis auch die Letzte, die sich nicht ihren Rockzipfeln unterwirft, vernichtet ist. Sie will neben de Rozier herrschen. Ohne all die Nebenfrauen. Verstehst du?«
Naakiti verstand. Wahrscheinlich hatte Babagaya recht: Die einzige Möglichkeit, die verhasste Frau loszuwerden, war deren Tod. Schneller als erwartet nahm dieser Gedanke im Kopf der Äthiopierin Gestalt an. Aber was, wenn ihre Mordpläne entdeckt würden? Ängstlich blickte sie in die schwarzen Augen von Babagaya. »Ihre Anhängerinnen werden uns verraten«, flüsterte sie heiser.
»Dann werden wir diese Weiber dazu bringen müssen, der Königin die vermeintliche Freundschaft zu kündigen.«
Naakiti war nicht überzeugt. Wie wollte die Kenianerin das bewerkstelligen? Die meisten der Königintreuen hingen nicht nur aus Furcht vor der Zukunft an ihr, sondern auch weil Elloas Glanz auf sie abfärbte wie das Henna auf die gebleichten Laken in den Gärten des Kaisers.
Babagaya, die ihr Zögern bemerkte, trat vor Naakitis Sessel. Sie beugte ihren schwarzen Krauskopf dicht vor das Gesicht der Äthiopierin. »Überlasse die Weiber mir! Sage du nur, ob du an meiner Seite sein wirst, wenn die Königin sterben muss!«
***
Zur gleichen Zeit stand sich Rönee vor dem Palais la femme die Beine in den Bauch. Es dauerte ewig, bis Königin Elloa und das Dutzend Kaisergattinnen sich darüber einig waren, wer in welchem Fahrzeug Platz nahm. Herausgeputzt, als ginge es zu einem Staatsempfang, bestiegen sie nun die mit Fahnen und bunten Federn geschmückten Otomobile. Auf ihre Dienerschaft hatten sie heute verzichtet. Nur die kaiserlichen Leibgardisten begleiteten sie. Als endlich auch der letzte Brokatzipfel der Frauengewänder in den dampfbetriebenen Fahrzeugen verstaut war, nahm Rönee, der die Garde befehligte, auf seinem Velo Platz. Leise fluchend betätigte er Schalter und Ventile und rollte auf dem Zweisitzer die Auffahrt hinunter.
Eigentlich war Prinz Akfat der Kommandant der Leibgarde. Doch wie immer, wenn sich Königin Elloa in der Öffentlichkeit darstellen wollte, musste der Prinz ganz dringend andere Aufgaben wahrnehmen, wie zum Beispiel die Kerkeranlage zu inspizieren. So auch heute. Darum fiel die undankbare Aufgabe, die zukünftige Braut de Roziers zu bewachen, Rönee zu. Das ist wirklich das letzte Mal, dass ich diesen Hühnerhof durch die Stadt kutschiere, schwor er sich. Ich bin Soldat und kein Hofnarr! Er kam sich albern vor in der blau-weißen Palastuniform, den weißen Handschuhen und der kegelförmigen, federbesetzten Haube. Noch heute würde er bei Kommandant Lysambwe seinen Urlaub einreichen.
Dieser Gedanke beruhigte sein Gemüt. Doch als er, gefolgt von dem Wagentross der Königin, in die nussschalengepflasterte Chaussee einbog und in Richtung Innenring fuhr, ließen Schwermut und Trauer seine Brust eng werden: Wie oft war er diesen Weg mit Tala gefahren. Tala! Die einstige Leibwächterin des Kaisers, die heimliche Geliebte von Prinz Akfat. Es verging kein Tag, an dem Rönee nicht an sie dachte. Obwohl fast ein Jahr seit ihrem Tod vergangen war, erinnerte er sich noch ganz genau, wie sich ihr lebloser Körper angefühlt hatte, als er ihn damals in den Palast trug. Tala war ihm Freundin und Schwester gewesen, bevor der Pflanzenmagier und sein Gestaltwandler sie aus dem Leben gerissen hatten. »Die Zeit heilt alle Wunden«, pflegte Lysambwe immer zu sagen. Doch diese Wunde heilte nicht.
Nie, dachte Rönee,
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