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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Kaisergattinnen auf die Reise zum Markt von Wimereux vor. Von ihrem schräg stehenden Korbsessel aus warf Naakiti hin und wieder einen verstohlenen Blick in den Nachbarraum. Die Frauen trugen prächtige Kleider und überschlugen sich darin, der Königin Komplimente über ihr Aussehen zu machen: belle femme hier und formidable da. Ihr seid die Schönste, die Beste und die Klügste, war das häufigst benutzte Vokabular von Elloas lächerlichen Anhängerinnen.
    Der schönen Äthiopierin war zum Heulen zumute. Bis vor einem Jahr war sie selbst die Lieblingsfrau des Kaisers gewesen. Doch als sie damals hier eingezogen war, spaltete sich das Palais la femme nicht in zwei Lager. Nie wurde ein solches Theater um ihre Person gemacht. Und niemals war sie selbst so herablassend mit der Dienerschaft umgegangen, wie die Königin es tat. Diese Natter, die allen anderen Frauen tagein, tagaus zeigte, wer die neue Herrscherin im Hause de Rozier war. Während Naakiti über diese unerträgliche Situation nachdachte, sah sie, wie Elloa sich plötzlich dem Wintergarten näherte. Schnell versenkte sie ihren Blick in das Buch.
    »Naakiti, willst du mich nicht in die Stadt begleiten? Das bringt dich auf andere Gedanken.« Die Königin deutete zu den Fenstern, hinter denen eine Schar Kinder durch den Garten tollte. »Es ist nicht gut für dich, den ganzen Tag den Anblick der kleinen Prinzessinnen und Prinzen ertragen zu müssen, wo du doch selbst… du weißt, was ich meine.« Ihre Stimme klang honigsüß und ihre schrägen grünen Augen schauten unschuldig drein. Doch ihre Absicht, die Äthiopierin an ihrem wundesten Punkt zu treffen, war überdeutlich: Naakiti war die Einzige von Pilatres Frauen, die keine Kinder bekommen konnte.
    Die Äthiopierin schluckte. »Ich ziehe es vor, hier zu bleiben. Mir ist heute ein wenig unwohl«, erwiderte sie leise.
    Elloa setzte ein mitfühlendes Lächeln auf. »Verstehe. Vielleicht ein anderes Mal.« Wie immer, bevor sie sich der Öffentlichkeit zeigte, streifte sie sich Handschuhe über Hände und Arme. Alle wussten, dass sie damit die Narben verdecken wollte, die ihr von Daa’tans Misshandlung durch die Rosenranken geblieben waren.
    »Ja, vielleicht ein anderes Mal«, antwortete Naakiti und wandte sich wieder ihrem Buch zu.
    »Oft werde ich dir dieses Angebot nicht mehr machen. Also beschwere dich später nicht«, hörte sie Elloa im Weggehen sagen. Als der Lärm ihrer klappernden Absätze und das Geschnatter ihrer Anhängerschaft verklungen waren, schlug die Äthiopierin ihr Buch zu. Sie heulte vor Wut. Unerträglich der Gedanke, für immer der bösen Zunge dieser Natter ausgeliefert zu sein.
    »Wie ich sehe, hat die schwarze Hexe wieder einmal ihr Gift versprüht«, ertönte von der Tür her die dunkle Stimme von Babagaya, der Ältesten im Palais la femme.
    Naakiti wischte sich schnell die Tränen von den Wangen. Nichts lag ihr ferner, als mit der kinderreichsten Frau im Kaiserharem über den Inhalt von Elloas Anfeindungen zu sprechen. »Es ist nicht so schlimm«, erwiderte sie nur.
    »Es ist schlimm. Und es wird Zeit, etwas gegen die Königin zu unternehmen!« Die muskulöse Kenianerin ließ sich gegenüber von Naakiti in einem Sessel nieder und legte ihren Bogen neben sich. Sie trug einen eng anliegenden Anzug aus braunem Wildleder. Ihr Krausschopf sah aus wie schwarze Drahtwolle und ein wildes Funkeln lag in ihren dunklen Augen. Naakiti hatte sie noch nie ohne Bogen und Dolch gesehen. Als Königstochter von einem der ehemaligen kriegerischen Stämme, die de Rozier durch eine Heirat an sich gebunden hatte, besaß sie ein Amazonennaturell.
    Gleichzeitig war sie eine liebevolle Mutter, die Pilatre vor vielen Jahren zwölf Kinder geschenkt hatte. Das und ihre Herkunft verschafften ihr Sonderrechte: Als Einzige führte sie ein autarkes Leben im Kaiserharem. Sie unterrichtete in der Garnisonsschule Strategie und die Kunst des Bogenschießens. Die anderen Frauen begegneten ihr mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken. Doch unausgesprochen galt sie als die Anführerin des Palais und als Gegenpart zu der feinsinnigen Naakiti, der einstigen Lieblingsfrau des Kaisers.
    Für eine Weile wurde es still im Wintergarten. Nachdenklich blickten sich die beiden Frauen an. Schließlich ergriff die Äthiopierin das Wort. »Was können wir denn gegen diese Natter unternehmen? Willst du sie in einen Sack binden und im Victoriasee versenken?«
    »Warum nicht?«, erwiderte Babagaya trocken. Mit einem amüsierten

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