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247 - Der Kerker der Pandora

247 - Der Kerker der Pandora

Titel: 247 - Der Kerker der Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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während er die Verteilerstation passierte, in deren Fundament der Versorgungsschlauch mündete, der die Trägerplattform der Stadt mit Methangas aus dem vulkanischen Erdreich versorgte. Von den Palisaden des kuppelförmigen Bauwerkes riefen Kameraden nach dem Gardisten. Aber Rönee beachtete sie nicht. Mit tränenverhangenem Blick lenkte er sein Gefährt an allem vorbei, was ihn einst mit Bewunderung und Freude erfüllt hatte: die Prachtbauten der Akademie und des Observatoriums. Die kunstvoll angelegten künstlichen Gärten. Die winkenden Kinder vor den Schulgebäuden.
    Der Torbogen, der in den Zwischenring der Stadt führte und dessen edelsteinbesetzte Fassade im Sonnenlicht aussah wie ein glitzernder Regenbogen.
    Für all das hatte Rönee keinen Blick. Er merkte auch nicht, dass er immer schneller wurde und den Wagentross der Königin weit hinter sich ließ. Die Stadt, die geprägt war von Pilatre de Roziers Forschergeist, hatte für ihn ihren Reiz verloren. Und nicht nur für ihn: Noch vor einem Jahr waren die Menschen aus fern und nah angereist, um in den wissenschaftlichen Instituten zu studieren, um sich im Heilerhaus behandeln zu lassen oder um die Baukunst der Wolkenstädte zu erkunden. Doch seit dem verheerenden Überfall durch Daa’tan besuchte kaum noch jemand Wimereux. Die Leute hatten Angst vor dem Pflanzenmagier.
    Auch die Einwohner schliefen schlecht bei dem Gedanken an die Gefangenen in der Kerkeranlage unter ihrer Stadt. Viele, die ihre Liebsten bei den Kämpfen verloren hatten, verlangten Daa’tans Tod. Hinter vorgehaltener Hand schimpften sie über die Entscheidung des Kaisers, das Leben des Mörders zu schonen. Und die bevorstehende Hochzeit mit der »Königin des Pflanzenmagiers«, wie sie Elloa nannten, war wie Öl auf schwelendes Feuer. So wunderte es Rönee auch nicht, als man ihm bei seiner Ankunft am Marktplatz argwöhnische Blicke zuwarf.
    Nein, das war nicht mehr die Stadt, in der er sich zu Hause fühlte. Auch wenn im Laufe der vergangenen Monate die Schäden, die Daa’tan und sein Barbarenheer verursacht hatten, beseitigt worden waren, auch wenn die Menschen wieder ihrem gewohnten Alltag nachgingen und die neun Stabilisierungsballons in den Wolken hingen, als wäre nie etwas geschehen: Wimereux-à-l’Hauteur würde nie mehr die Stadt sein, die sie einst gewesen war.
    Seufzend stieg Rönee von seinem Velo. Während er seinen Rotschopf von der Federhaube befreite und sich die Handschuhe von den Fingern zerrte, sammelte sich eine Schar Neugieriger um ihn.
    »Na Gardist, ganz alleine unterwegs?« Der Mann, der ihn ansprach, überragte Rönee um eine Kopflänge, war breit wie ein Schrank und hatte bei irgendeiner Schlägerei einen Schneidezahn verloren. Seine Fäuste hielten einen mächtigen Knüppel.
    Für Rönee war der Kerl kein Unbekannter. Er lebte im Außenring von Wimereux in der Nähe der Quartiere der Wachposten und arbeitete in den Witveerställen. Bei der Schlacht um die Wolkenstadt hatte er seinen Zwillingsbruder verloren. Seither sorgte er immer wieder für Unruhe.
    Auch jetzt entdeckte der rothaarige Soldat ein herausforderndes Blitzen in den Augen des Hünen. »Lass es gut sein, Brakula. Mir ist heute nicht nach einem Scharmützel zumute.« Damit kehrte er ihm den Rücken. Seine Rechte am Säbelknauf, die Linke um die alberne Haube geschlungen, nahm er Haltung an. Nicht etwa, weil er die Königin gebührend empfangen wollte, sondern um zu demonstrieren, dass er im Auftrag des Kaisers unterwegs war. Brakula sollte sich zweimal überlegen, ob er eine Auseinandersetzung mit kaiserlichen Gardisten riskieren wollte.
    Doch der Hüne überlegte gar nicht: Als der Wagentross der Königin eingetroffen war und Elloa ihre perlenbestickten Schuhe auf das Nussschalenpflaster setzte, schwang Brakula seinen Knüppel über den Kopf. »Da ist sie, die Hure des Pflanzenmagiers!«, brüllte er. »Wenn ihr wollt, dass unsere Toten Ruhe finden, dann jagt sie aus der Stadt!«
    »Ja, hinaus mit ihr«, stimmten einige der Umstehenden in seine Hetzrede ein. Auch von den Marktständen waren jetzt Rufe zu hören und die Leute, die bis eben noch über den ausladenden Platz flaniert waren oder ihre Einkäufe tätigten, kamen herbei gelaufen. Bei den Wagen der Kaisergattinnen machte sich Entsetzen breit: Eine der Frauen war in Ohnmacht gefallen, andere stöhnten und drängten sich ängstlich hinter den Rücken ihrer Bewacher. Nur Elloa nicht. Flankiert von drei Gardisten stand sie mit gerecktem Kinn

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