247 - Der Kerker der Pandora
widersprüchlich, und weder die Wesen, noch ihre Art zu töten konnten sie beschreiben.
»Ihre Körper bestehen aus Wurzeln und Flechten«, berichtete der Hagere mit dem gestreiften Gewand.
»Ihre Haut hat die Farbe von verwelktem Laub und flattert in Fetzen von ihren Leibern«, behauptete der Kleinere mit dem vernarbten Gesicht.
»Es handelt sich um Geister«, flüsterte der Abgesandte vom Wildwald. »Sie kommen des Nachts und verschlingen Mensch und Tier!«
Lysambwe räusperte sich. »Könnt ihr die Leichen eurer Toten beschreiben? Wie sehen sie aus? Haben sie Biss- oder Stichwunden? Ist ihre Schädeldecke verletzt?«
Akfat warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Offensichtlich befürchtete der Kommandant, dass die Gruh wieder ihr Unwesen trieben. Unmöglich, dachte der Prinz. Doch als er den entsetzten Ausdruck in den Gesichtern der Abgesandten sah, wurde er unsicher. Die Zombieartigen Kreaturen, die vor langer Zeit aus den Erdspalten bei Kilmalie gekommen waren und Tod und Verderben über das Land gebracht hatten, pflegten ihren Opfern grausame Kopfwunden beizubringen. Hatten die drei Männer solch bestialisch Hingerichtete unter den Toten gesehen? Gespannt wartete er auf ihre Antwort.
Doch anscheinend waren die Drei nur entsetzt über die detaillierten Fragen des Kommandanten. »Es gibt keine Leichen«, erklärte der Hagere. »Die Kreaturen nehmen die Toten mit sich.«
Lysambwe kratzte sich seinen kurz geschorenen Schädel. »Also gut, lassen wir das mit den Toten. Kommen wir zurück zu den Pilzwucherungen. Können die irgendetwas mit diesen… diesen Wesen zu tun haben? Wann sind sie das erste Mal aufgetaucht?«
»Vor Wochen.«
»Vor einigen Tagen.«
»Schon vor Monaten sind sie den Sammlern der Dörfer aufgefallen.«
Prinz Akfat seufzte leise und verließ seinen Platz neben dem Kommandanten. Das Gespräch brachte sie nicht weiter. Jemand musste sich vor Ort ein Bild über die Situation machen. Während die Befragten versuchten, sich über den Zeitpunkt des Auftauchens der Pilze einig zu werden, wanderte er zu seinem Schreibtisch. Zwischen Zetteln, Papierbögen und Notizbüchern standen eine halbvolle Tasse und ein Teller mit Kuchenresten. Die Ankunft der Dorfgesandten hatte ihn bei seiner Arbeit und dem Nachmittagstee unterbrochen. Er schob das Geschirr beiseite. Mit halbem Ohr bei Lysambwe und den Boten, begann er ein wenig Ordnung in das Papierchaos zu bringen.
Die unvollständige Gästeliste für die bevorstehende Hochzeit seines Vaters legte er neben seine Schreibfeder. Die musste heute noch zu Ende gebracht werden. Eine Notiz von Doktor Aksela zerknüllte er und warf sie in den Papierkorb. Die Ärztin informierte ihn darin, dass sie die nächsten Wochen bei ihrer Schwester am Westufer des Sees verbringen würde. Ihre unerwartete Abreise war inzwischen Hauptthema des Hoftratsches. Man munkelte, dass es zu einem Eklat zwischen Aksela und der Königin gekommen war, nachdem die Ärztin sich geweigert hatte, Elloas Hühneraugen zu behandeln. Der Prinz allerdings glaubte, dass Aksela sich einfach nur von den Anstrengungen der letzten Monate erholen wollte.
Die nächste Notiz landete ebenfalls im Papierkorb. Es handelte sich um eine persönliche Empfehlung des Kaisers: »Dem Gardisten Rönee ist eine Rüge von seinem Vorgesetzen und eine einwöchige Urlaubssperre zu erteilen. Darüber hinaus sollte er sich einige Zeit vom Hof fernhalten.« Dieser Empfehlung ging eine Beschwerde der Königin voraus, die behauptet hatte, der rothaarige Soldat hätte sie in der Öffentlichkeit beleidigt. Einen Augenblick lang schmunzelte der Prinz vergnügt: Er war dabei gewesen, als Lysambwe Rönee die Rüge erteilte. Das Ganze ähnelte eher einer Auszeichnung für tapferes Verhalten und endete schließlich in einem fröhlichen Trinkgelage.
Jetzt strichen seine Finger nachdenklich über einen angefangenen Liebesbrief an Fleur. Doktor Fleur Chargé! Aksela hatte dem Prinzen ihre hübsche Kollegin bei einem ungezwungenen Abendessen vorgestellt. Das war Monate her und seitdem verbrachte er jede freie Minute mit seiner neuen Geliebten. Ihre fröhliche Art und die Gelassenheit, mit denen sie den Widrigkeiten des Lebens begegnete, hatten ihm geholfen, über den Tod von Tala hinwegzukommen. Er nahm den Brief und steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke.
Dann zog er die Zeichnungen von der Kerkeranlage aus dem Papierstapel, um sie in einer Mappe zu verstauen. Vor seiner Abreise nach Taraganda hatte sein Bruder Victorius
Weitere Kostenlose Bücher