2482 - Der ewige Kerker
diesem galaktischen Abschnitt, doch die von ESCHER übermittelten Koordinaten gehörten nicht dazu.
Außerdem stand zu befürchten, dass Mondras Karte im Bereich der Kernzone nicht mehr sonderlich aktuell war.
Man konnte der Terminalen Kolonne TRAITOR viel vorwerfen – aber Müßiggang gewiss nicht.
*
Hajmo half in der Psychologischen Abteilung mit, die unter destabilisierenden Effekten des Vibra-Psi Leidenden zu betreuen.
Freilich konnten sie nur die Symptome mildern. Ein Mittel, sich gegen die störenden Einflüsse abzuschirmen oder diese zu neutralisieren, war nicht gefunden worden.
Gustavo Arkennte und seine Kollegen betreuten die besonders anfälligen Patienten, unterstützten sie dabei, Krisenphasen zu überstehen und allgemein mit der permanenten Beeinträchtigung fertig zu werden. Therapien, wie sie sonst zur Behandlung von chronischer Migräne oder Melancholie eingesetzt wurden, erzielten noch die besten Erfolge.
Am frühen Nachmittag des 22. Oktober bestellte Oberstleutnant Darla Markus, die Leiterin der Sektion Medizinische Psychologie, Hajmo in ihr persönliches Büro. Er betrat es zum ersten Mal, und obwohl Arkennte ihn vorgewarnt hatte, klappte ihm beinahe die Kinnlade herunter.
„Mir scheint, meine aktuelle Dekoration gefällt dir, Herr Dozent."
„Ja, ich b...bin b...beindruckt", stammelte er wahrheitsgemäß.
Hier regierte Plüsch. In allen Pastellfarben und flauschigen Erscheinungsformen. Kariert, gestreift, mit Paisley-Mustern, floralen Motiven, kleinen und großen Punkten und Herzen. An den Wänden, am Flokati-Boden, in dem Hajmos Stiefel zu versinken drohten, auf allen Möbeln ... Sogar der Schreibtisch war mit zentimeterdickem waldgrünem Plüsch tapeziert.
„Wärme gegen die Lebensfeindlichkeit der Außenwelt", sagte Darla mit pathetischem Tonfall. Sie lachte. „Nein, im Ernst, ich stecke gerade in einer der Kitsch-Phasen, die mich alle paar Jahre ereilen. Sieh einfach darüber hinweg."
Wenn das so leicht wäre ...
Die Chefpsychologin der SOL war berühmt für exzentrischen Kleidungsstil und aufwendige Kunstfrisuren. An diesem Tag trug sie eine Art Morgenmantel, natürlich aus Plüsch, und die stahlblaue Haarpracht zu drei Teddybären geformt, die einander umarmten.
Hajmo wäre nicht überrascht gewesen, hätten sie bei jeder Kopfbewegung gebrummt.
Seltsamerweise wirkte die gesamte Aufmachung weder verrückt noch peinlich. Man nahm der Frau, die in legerer Pose hinter ihrem Plüschmonster von Schreibtisch thronte, trotzdem jederzeit ab, dass sie in der Eliteschmiede von Camelot brilliert hatte, zur ersten Garnitur der terranischen Wissenschaftler zählte und auch als Chirurgin herausragende Leistungen erbrachte.
Sie ist auf Olymp geboren, fiel Hajmo ein. Wahrlich eine Göttin – nur nicht in Weiß, sondern eben in Plüsch.
Dass sie, wie der Bordklatsch verbreitete, bei aller Exaltiertheit stets berufliche Distanz wahrte und niemanden wirklich nahe an sich heranließ, stellte nur für Laien einen Widerspruch dar. Offensivverteidigung, konstatierte Hajmo.
Er hatte sich über seine Vorgesetzte kundig gemacht. Ihr Ehemann war kurz nach der Hochzeit dem von Goedda ausgelösten Kritzelwahn verfallen und hatte nach der Befreiung Selbstmord begangen. Das lag ein halbes Jahrhundert zurück. Aber manche Wunden heilten nie.
„Ich muss dir auf den Zahn fühlen, Dozent Siderip", sagte sie unverblümt.
„Gemäß dem Reglement der Raumflotte obliegt es mir, deine Eignung für Spezialeinsätze zu beurteilen."
Soso! Daher wehte der Wind. Selbstverständlich hatte sich Hajmo zu Beginn seiner ersten Schicht bei Darla vorgestellt. Dabei hatten sie jedoch nur im Gang zwischen den OPs und den Therapieräumen ein paar höfliche Worte gewechselt.
„Was möchtest du wissen?"
„Anlässlich des Aufbruchs der RICHARD BURTON nach Hangay hast du, wie eine ganze Reihe anderer Besatzungsmitglieder, ein persönliches Statement verfasst. Wenn ich nicht irre, wurden diese im internen Netzwerk veröffentlichten Bekenntnisse sogar von dir initiiert."
„Das ist richtig. Ich wollte das Gemeinschaftsgefühl fördern."
„In deinem eigenen Statement beschreibst du dich", sie rief ein Holo auf, „als ›Explorer, süchtig nach Abenteuern, nach der Weite des unerforschten Weltalls‹."
„Sind wir das nicht alle?"
„Sucht, werter Kollege", sagte sie, sich vorbeugend und dabei den Ansatz ihres Dekolletés entblößend, „ist ein vielschichtiger Begriff, der in unserer Profession nicht
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