2482 - Der ewige Kerker
Schulter. „Das ist unmöglich. Wie sollte das funktionieren?"
„Sehr einfach: Du bist unsterblich.
Und wir, wir leben nicht."
*
Bei all den Künstlern von Koltogor, eröffnete ihr Murtaugh oder Skutnik, handelte es sich um quasimaterielle Projektionen. Darum konnte zum Beispiel er sich an zehn verschiedenen Orten zugleich verstecken.
„In deiner fünftletzten Wachphase hattest du großen Spaß damit, mich an den abstrusesten Plätzen aufzustöbern.
Ganz versessen warst du, meine Schlupfwinkel zu finden."
Inkadye stöhnte. Sie begriff nicht, welche Rolle sie in diesem Tollhaus bekleidete. „Warum?"
„Mich fragst du? Du bist hier die einzig reale Person."
Die Fülle der Kunstwerke und sonstigen, staunenswerten Pretiosen – eine gleichermaßen überbordende wie unbeseelte Anhäufung von Kulissen! Die gesamte, ebenso eifrige wie eifernde Künstlerkolonie – Trugbilder, leblose Schimären, immer gleichen, vor Urzeichen programmierten Ablaufmustern verpflichtet.
„Warum?", wiederholte Inkadye knisternd. „Warum stehe gerade ich im Zentrum eurer Bemühungen? Wer bin ich?"
„Du", lachte Murtaugh oder Skutnik hämisch, „bist KOLTOROCS Trophäe.
Aus diesem einen Grund hält der Chaopressor dich am Leben und unsere Persönlichkeitskonvolute zu deiner Erbauung intakt: Du symbolisierst einen der bedeutendsten Siege, die er je über die Ordnungsmächte errungen hat. Immer wenn er Koltogor aufsucht, weidet er sich daran, dass er dich erfolgreich sichergestellt hat und seither gefangen hält."
Sie benötigte einige Atemzüge, diese Fakten zu verdauen. „Er hat einen ewigen goldenen Kerker um mich errichtet."
„Das kunstvollste, elaborierteste Gefängnis des Kosmos", bekräftigte der Kobold. „Zu deinem und seinem Vergnügen."
„Aber ... Indem du mir die Hintergründe aufdeckst – wobei du offenbar im Einverständnis deines Herrn handelst –, nimmst du mir jegliche Hoffnung auf Verbesserung meiner Situation! Innerhalb der Stadt Koltogor kann ich mich frei bewegen, und ihr alle behandelt mich überaus zuvorkommend.
Dennoch, oder gerade deswegen, stellt diese absolute Ausweglosigkeit eine grausame Tortur dar."
Murtaugh oder Skutnik zuckte die Achseln. „Niemand hat behauptet, KOLTOROC sei ein freundlicher Zeitgenosse."
Neunte Ebene:
Psychologen unter sich
Er hatte ausgezeichnet geschlafen, mächtig Appetit und Lust darauf, das Frühstück in der Kantine einzunehmen. Hajmo Siderip wertete dies als Anzeichen der Besserung.
Im Speisesaal der Medo-Sektion waren sämtliche Tische besetzt. Siderip blickte sich um und entdeckte einen allein sitzenden Kollegen. Die roten Haare und das kantige Gesicht waren unverkennbar.
„Ist bei dir noch ein Platz frei, Gustavo?"
Der Medik-Assistent von Major Hery-Ann Taeg sah von seinem Teller auf und vollführte eine einladende Geste.
Nachdem er hinuntergeschluckt hatte, begrüßte er Hajmo.
„Habe schon gehört, dass du unser Team verstärkst. Fachmann für Außeneinsätze unter Extrem-Bedingungen, wie? Respekt. Ich für mein Teil bin froh, wenn ich nicht aus der SOL rausmuss."
Das traf auf viele Solaner zu, die ihr Schiff primär als Zuhause und erst in zweiter Linie als Transportmittel betrachteten. Bei Hajmo war es genau umgekehrt: Für ihn bestand das Tolle an Raumschiffen in dem Potenzial, möglichst weit ins Unbekannte vorzustoßen.
Über das Eingabefeld in der Tischmitte bestellte er einen deftigen Scottish Brunch und eine Kanne Schwarztee. „Was tut sich?", fragte er. „Dass der Einflug gelungen ist, weiß ich bereits."
„Erste Kurzetappe, weg vom Absetzpunkt, der ja im Logbuch der Kolonnenfähre dokumentiert sein wird. Soeben legen wir einen Zwischenhalt ein und werfen die hässlichen Verkleidungen ab."
Die Attrappen behinderten die Manövrierfähigkeit. Und Wendigkeit brachte allemal mehr als eine Tarnung, die bei einmal gegebenem Verdacht leicht zu durchschauen war.
„Viel los auf der Medo-Station?"
„Mhm! Den Grenzwall haben wir im Schutz der Fähre gut überstanden. Aber jetzt merken wir die Auswirkungen des erhöhten Vibra-Psi. Die Bude ist fast voll. Depressionen, leichte Anfälle von Desorientierung, allgemein mehr psychosomatische Erkrankungen ... Nichts Ernstes, doch Tendenz steigend."
Wie alle Ärzte an Bord der SOL war Gustavo Arkennte vielseitig ausgebildet. Und so galt er neben seinem Hauptgebiet der Psychologie auch als hervorragender Internist.
Hajmo wollte sich gerade nach den Mutanten erkundigen, die
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