249 - Showdown
sein!«
***
Rulfan hatte mit angesehen, wie der Todesrochen den erbeuteten Gleiter die Schlucht entlang trug. Hatte das Kreischen von Metall auf Stein gehört und aufgeatmet, weil kein Bersten an den Wänden des Abgrunds folgte, keine Explosion. Inzwischen wusste er, dass die Maschine auf der Felsnadel stand, zwar von Dornenranken umsponnen, aber sicher. Als der Wind einmal das wuchernde Blattwerk anhob, konnte er sie sehen. Auch Aruula, und seinen Freund! Matt hatte herüber gewunken. Leider konnte Rulfan die Geste nicht erwidern.
Doch zuvor hatte er noch eine andere Stimme gehört. Einen Schrei nur, den er aber dennoch zu erkennen geglaubt hatte. Alles in ihm sträubte sich dagegen, seinen Verdacht sich selbst einzugestehen. Es konnte nicht sein… es durfte nicht sein!
»Es war nicht Lay«, flüsterte Rulfan jetzt. »Sie ist in Wimereux geblieben. Natürlich ist sie das, schließlich ist sie schwanger. Sie würde nicht…!«
Doch, sie würde. Rulfan schloss die Augen, und lauschte in den Geräuschen des Tropenwalds – summende Insekten, im Luftzug aneinander schabende Blätter, ein ferner Wasserfall. Er lauschte auf einen Ruf, der nicht kam.
Lay!, dachte Rulfan gequält. Er wollte seinen Schmerz herausschreien, seine hilflose Wut. Doch er tat es nicht, weil Daa’tan es hören und sich daran ergötzen würde. Den Triumph lasse ich dir nicht, du verfluchte Kreatur!
Hass brandete in Rulfan hoch, trug ihn wie auf einer schäumenden Welle über Trauer und Resignation hinweg. Gab ihm neue Kraft.
Daa’tan hatte ihn als Lockvogel missbraucht, um Matt und Aruula nach Kisiwaaku zu holen. Sie schwebten in Lebensgefahr, das wusste Rulfan und fühlte sich verantwortlich, denn sie waren seinetwegen hier. Doch wie konnte er die beiden warnen, wie ihnen beistehen? Er musste zu ihnen gelangen, irgendwie. Simple Aufgabe, sollte man meinen. Wäre es auch gewesen, hätte der Albino nicht eine hungrige Carnivore am Hals gehabt. Buchstäblich!
Rulfans Gefängnis war ein altes Grabgewölbe, genauer gesagt der steinerne Thron an dessen Kopfende. Ein wuchtiges, grau verwittertes Monument mit hohem Rücken und moosgepolsterten Armlehnen. Vor dem Sockel blühten wilde Orchideen.
Hinter dem Thron stand ein dicker hohler Baumstamm. Etwa vier Meter über dem Boden endete er wie abgesägt, und man konnte gar nicht anders, als ihn für tot zu halten. Sollte man auch. Es war Teil seiner Fangstrategie.
Ubhusha ndlovi hieß das mörderische Gewächs im Volksmund. Der Name bedeutete Efrantenwürger, und die Carnivore machte ihm alle Ehre, auch wenn die grauen Rüsselträger doch eine Nummer zu groß für sie waren. In ihrer unterirdischen Säurekammer verrottete alles, was die Pflanze zu fassen bekam. Egal ob Vogel oder Raubkatze.
Als Fanghilfe verwendete der Efrantenwürger Lianen. Sie wuchsen aus einem kontraktiblen Luftwurzelring unten im Baum, formten Schlingen und trieben auf der Innenseite weiche Stacheln aus. Wenn diese Stacheln brachen, lief eine chemische Kettenreaktion an. Sie meldete der Mutterpflanze, dass es Zeit war, das Essen hereinzuholen.
Daa’tan und Grao hatten Rulfan die Wirksamkeit ihrer tödlichen Falle demonstriert. Bevor sie ihn auf den Königsthron setzten, warfen sie ein getötetes Warzenschwein auf eine der zahlreichen Fallschlingen am Boden. Es war ein stattlicher Eber, gut hundert Kilo schwer.
Kaum berührte seine Schnauze die Stacheln, zog sich die Schlinge ruckartig zu. Mit einer Leichtigkeit, die selbst Daa’tan einen erschreckten Laut abrang, wurde das Tier vom Boden gerissen und verschwand im hölzernen Schlund des Efrantenwürgers. Es klang, als fiele ein Felsbrocken ins Wasser. Tropfen spritzten hoch, regneten auf Gras und Blätter und ätzten braunrandige Löcher hinein.
Mehr als diese Demonstration war nicht nötig, um Rulfan zu verdeutlichen, was ihn bei einem Fluchtversuch erwartete. Grao und Daa’tan zerrten den Unglücklichen danach auf den Steinthron und legten ihm eine Schlinge um den Hals. Alle anderen Lianen zertrennte Daa’tan mit seinem Schwert. Er wollte sicherstellen, dass die Fleisch fressende Pflanze keine Zufallsbeute schlug und womöglich die Lust an weiterem Futter verlor. Den Eber musste er ihr überlassen, aber davon war die Pflanze lange nicht gesättigt.
Rulfans Hand tastete über verwittertes Gestein. Seit zwei Tagen saß er nun schon reglos hier! Der Durst brannte in seinen Eingeweiden, und er war sterbensmüde. Aber er durfte nicht einschlafen, weil die Schlinge um
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