249 - Showdown
zu werden schien, je weiter sie sich über den Abgrund hinauswagte. Könnte er sie doch nur mit Blicken festhalten, ihr mit seinen Gedanken Kraft geben…
»O Gott – nein!«, keuchte er, als Aruula plötzlich die Hand zurückriss und sie heftig schüttelte. Sie musste beim Hangeln in etwas Schmerzhaftes gegriffen haben, eine Dorne vielleicht. Atemlose Sekunden lang hing sie nur mit einer Hand an der Liane. Über einem schwarzen Abgrund.
Matt spürte, wie sein Herz gegen die Rippen wummerte. Sie fällt nicht, dachte er fiebrig. Sie hat ganz recht: Daa’tan wird es nicht zulassen! Aber ein nagender Zweifel blieb.
Etwas Merkwürdiges geschah, als die Barbarin mit schwindendem Elan nach neuem Halt tastete: Die Liane trieb einen Ableger aus! Wie im Zeitraffer wuchs er heran, wurde dicker, kräftiger. Er schien nach Aruula zu tasten, und kaum hatte er sie erreicht, durchlief ihn ein neuerlicher Wachstumsschub, der die Spitze förmlich explodieren ließ.
Ranken schossen hervor und umschlangen Aruulas Leib. Einen Moment lang hatte Matt die schreckliche Befürchtung, die Liane wollte seine Gefährtin mitten über der Schlucht fesseln, sodass sie weder vor noch zurück kam. Doch als sich Aruula weiter bewegte, wuchs ihre »Sicherheitsleine« mit! Alle paar Meter spross ein neuer Trieb heraus, der sich an der Mutterpflanze verknotete.
Nein, Daa’tan würde seine Mutter nicht in den Tod fallen lassen.
Aber etwas anderes wurde Matt plötzlich klar: Es geht dabei gar nicht um Aruula! Daa’tan zielt auf michl Er lässt sie da rüberhangeln, um mich zu zermürben! Ich wette, er sieht mir zu und genießt es, seinen alten Herrn schwitzen zu sehen! Na warte, Freundchen! Wenn ich dich zu fassen kriege…
Matts Blick wanderte über die schroffen Felshänge der Schlucht, folgte ihnen hinunter in lichtlose Tiefen, und das Herz wurde ihm schwer. Irgendwo da unten lag Rulfans Geliebte. Tapfere kleine Lay. Sie hatte nie vorgehabt, sich mit Daa’tan anzulegen, wäre dazu auch gar nicht in der Lage gewesen. Sie wollte nur bei ihrem Gefährten sein. Und jetzt war sie tot.
Das hört jetzt auf, dachte Matt. Und wenn ich Daa’tan an den Haaren nach Gilam’esh’gad zerre – dieses Morden hört auf! Ich lasse nicht zu, dass er weiterhin unschuldige Menschen tyrannisiert und umbringt! Hätte er wenigstens noch einen Grund dafür: Hass, Rache, was weiß ich… Matt brach ab. Es war zwecklos, über Daa’tans Motive zu spekulieren. Wenn er wissen wollte, was in dem Jungen vor sich ging, musste er mit ihm reden.
Erleichterung brandete in Matt hoch, als Aruula den jenseitigen Rand der Schlucht erreichte. Er beobachtete, wie sie festen Boden betrat, aufstand und ihre schmerzenden Arme rieb.
Matt wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann hob er die Hand, als Aruula herüberwinkte. Sah ihr Schwert aufblitzen und glaubte den Schlag zu hören, mit dem sie die Liane durchtrennte. In weitem Schwung kam die Ranke heran, schlenkerte noch ein wenig vor der Felsnadel, hing schließlich still. Jetzt war er an der Reihe!
Matt sah sich nach Chira um. Die Lupa hockte am Boden und sah mit schief gelegtem Kopf zu ihm auf.
Was sollte mit ihr geschehen, während er das Wagnis einging, an der Liane nach unten zu klettern? Konnte er sie mitnehmen? Nein, keinesfalls. Er war sich ja nicht mal sicher, es selbst zu schaffen. Mit der schweren Lupa über den Schultern war ein Absturz vorprogrammiert.
Matt seufzte. Er würde Chira hier oben auf dem Plateau lassen müssen. In der Hoffnung, dass er oder Aruula zurückkehren und sie holen würden. Ansonsten müsste die Lupa elendiglich verhungern. Ein weiteres Opfer auf Daa’tans Liste.
Er kniete sich neben das treue Tier nieder. »Hör zu, Chira«, begann er und fand es nicht einmal albern, mit einer mutierten Wölfin zu reden. Irgendwie hatte er den Eindruck, dass sie mehr verstehen konnte, als die Menschen glaubten. »Aruula und ich, wir versuchen deinen Herrn zu befreien, Rulfan.« Sie spitzte beim Klang des Namens die Ohren. »Du wartest hier, bis wir zurück sind. Ich würde dir gern versprechen, dass wir es schaffen, aber das kann ich nicht. Also halt die Lauscher steif und drück uns die Pfoten, ja?«
Chira winselte leise, als er sich wieder erhob. Dann legte sie den Kopf auf ihre Pfoten und sah ihm unter hochgezogenen Brauen hinterher, als er an den Rand des Plateaus trat.
Matthew rechnete nicht damit, dass die Liane auch ihn vor einem Sturz bewahren würde, im Gegenteil. Als Matt sie ergriff und
Weitere Kostenlose Bücher