2492 - KOLTOROC
kannte. Sie sah Wissenschaftssendungen über die Natur des Universums, in denen nicht einmal die wahre Bedeutung der Strings in den ersten 380.000 Jahren nach dem Urknall erkannt wurde.
Sie begriff, dass sie der mentalen Fessel Koltorocs einfach nicht entkommen konnte.
Sie rief Holos auf, beobachtete, wie die Lichtstadt durch den Leerraum trieb. Sie nutzte irgendwann wieder die Bewegungsfreiheit, die sie genoss, und machte sie auf den Weg zum Hangar.
Sie konnte weder ein Beiboot besteigen noch einen Notruf aktivieren. Und nicht einmal ansatzweise Überlegungen anstellen, wie sie auf andere Weise aus der Lichtstadt fliehen konnte.
Sie ging von ihrem Quartier zum Hangar und zur Funkzentrale und zurück in ihr Quartier.
Bis sich, Wochen, Monate, ja vielleicht sogar Jahre später, zum ersten Mal Koltoroc in der ehemaligen Lichtstadt manifestierte.
*
Sie war auf dem Weg vom Hangar zur Funkzentrale, als eine düstere, dräuende Wolke vor ihr materialisierte. Unwillkürlich schreckte sie zurück.
Nein, Angst hatte sie keine. Die hatte sie längst verloren. Wenn Koltoroc sie töten wollte, hätte er das bereits getan. Es war das Überraschungsmoment, das sie aus der Fassung brachte, die Unterbrechung ihrer Routine nach dieser langen Zeit. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet, ihren Gefangenenwärter wiederzusehen.
Zögernd streckte sie die Hand aus. Ihre Fingerspitzen berührten die wogende Dunkelheit vor ihr ... und drangen in sie ein.
Die Wolke war nicht materiell.
Inkadye trat einen Schritt zurück und kniff die Augen zusammen. Sie sah die schwarze Zusammenballung deutlich vor sich. Schlieren zogen über ihre Oberfläche, und darunter schien sich permanent die Konsistenz der Wolke zu verändern. Faustgroße immaterielle Brocken schienen dichter und dunkler zu werden, während die wirbelnde Dunkelheit an anderen Stellen wieder leichter und heller wurde.
Die Sorgorin nahm all ihren Mut zusammen und trat mitten in die Erscheinung.
Augenblicklich hörte sie das leise Flüstern vieler Stimmen, ein allgegenwärtiges, kratziges Wispern, das von überall zugleich zu kommen schien.
Genauso allgegenwärtig waren aber auch die Schreie. Lang anhaltende, gequälte, entsetzliche Schreie.
Ihr wurde abrupt klar, dass sich vor ihr ein rein mentales Feld etabliert hatte. Und irgendwo darin enthalten waren die Bewusstseinskopien der herausragenden Persönlichkeiten der Auper'como und des Kollogoms, die zahllosen Imagini, die deren Wissen und Kultur repräsentiert hatten.
Inkadye spürte mit Schrecken die wachsende Macht der Wesenheit. Das Quant der Finsternis, das der Melange beigemischt war, stabilisierte die sich entwickelnde höhere Entität, vereinigte das, was eigentlich weder zusammengehörte noch zusammenpasste. Aber es barg auf diesem Niveau auch den Hang zur Widersprüchlichkeit, zur Gegensätzlichkeit. Die Gefahr, wie Inkadye zu bemerken glaubte, dass sich ein Wesen entwickelte, in dem jederzeit Schizophrenie ausbrechen konnte oder ein anderer Irrsinn.
Doch genau das, was sie als Wahnsinn auffasste, befähigte Koltoroc zu seiner enormen mentalen Leistung.
Sie zwang sich zur Ruhe, wartete, bis ihre Gedanken wieder in geordneten Bahnen verliefen. »Wie lange bin ich jetzt schon deine Gefangene?«, fragte sie dann laut.
Ein stummes Gelächter erklang. Ist es das, was dich am meisten interessiert? Nicht, was aus dir werden soll, sondern wie lange du schon bei mir weilst?
»Zwei Jahre, fünf?«
Das Lachen wurde lauter, geradezu höhnisch, und übertönte das Geflüster und die Schreie. Über tausend Jahre, Inkadye. Dein Wunsch hat sich erfüllt! Du hast einen Tausendjährigen Frieden genossen!
4.
Frieden für Serdragon
Sie prallte buchstäblich zurück, wollte es zuerst nicht glauben.
»Über tausend Jahre?«, flüsterte sie. »Aber wie ... « Zwar hatten die Kosmokraten die Sorgoren mit beträchtlicher Langlebigkeit ausgestattet, doch ... sie hätte doch bemerken müssen, dass so viel Zeit verstrichen war!
Oder, noch schlimmer ... konnte sie ausschließen, dass sie in tausend Jahren Einsamkeit den Verstand verloren hatte? Dass sie sich nur noch an das erinnerte, woran sie sich erinnern wollte? Dass sie die endlos langen Jahre einfach verdrängt hatte?
Wieder Gelächter, diesmal aber leiser und fast wohlwollend. Aber nein, Inkadye. Deine Gesundheit liegt mir am Herzen, auch deine geistige. Schließlich bist du ja so etwas wie meine Mutter. Du hast nach ein paar Jahren der Einsamkeit einfach nur
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