2492 - KOLTOROC
Schleimklumpen und Schnecken. Sie warteten in Kabinen, die kaum mehr waren als Zellen, bis sie in die Operationssäle geführt wurden.
Immer zwei von ihnen wurden in die Säle gebracht. Inkadye konnte die verschiedenen Stadien beim Vorgehen der Medoköche genau verfolgen.
Zuerst wurden die »Patienten« auseinandergerissen.
Dann miteinander verschmolzen und kombiniert.
Die Opfer erlitten dabei schreckliche Qualen.
Genetische Experimente, vermutete die Sorgorin voller Grauen.
Sie hörte ihre Schreie, während ihre Körper in zwei Hälften geteilt wurden, als erlebten sie alles bei wachem Bewusstsein mit, und sah, wie sie sich auf den Operationstischen wanden, nachdem sie zusammengefügt worden waren, ob sie nun zueinanderpassten oder nicht, ein halber Humanoide mit einer halben Schlange, die linke Hälfte einer Echse mit der rechten eines Vogels. Inkadye glaubte, ihre Schmerzen zu spüren, als schneide man ihr selbst ins Fleisch.
»Wie gesagt, wir haben mit der Herstellung dualer Wesen bedeutende Fortschritte gemacht«, sagte der Medokoch. »Diese Geschöpfe, die wir als Duale bezeichnen ... «
Inkadye hörte nicht mehr hin. Plötzlich wurde ihr klar, was in der Bark vorging.
KOLTOROC ließ in kleinem Maßstab Abbilder seiner selbst erschaffen.
Mit letzter Konsequenz. Mit einer grausamen Konsequenz, wie Inkadye klar wurde. Denn er war ja aus der Vermischung des Gegensätzlichen entstanden. Wenn die Superintelligenz sich selbst zum Maßstab nahm, musste ihre Philosophie dementsprechend besagen, dass nur das Gegensätzliche die maximale Leistung erschaffen konnte.
Ist das nicht schön?, dachte KOLTO-ROC in ihrem Kopf. Damit habe ich meinen Wert für die Terminale Kolonne bereits bewiesen. Ich erschaffe das Duale Prinzip ... weil ich aus einem Dualismus entstanden bin! Und ich werde auf lange Sicht recht behalten! Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Duale paranormale Fähigkeiten zu entwickeln beginnen, dass ihre Bewusstseine immer besser in einer Weise zusammengeschaltet werden, die ihnen Verhaltensweisen wie den Singulären Intellekt ermöglichen ... der mein nächstes großes Ziel ist!
»Wie diese Insektoiden«, flüsterte Inkadye. »Wie die Legaten!«
Sie waren der erste Schritt gewesen - das Duale Prinzip, erwachsen aus einer Spezies. Doch nun wagte KOLTOROC sich weiter voran. Er wollte eigentlich unvereinbare Gegensätze vereinigen.
Sich selbst neu schaffen.
Inkadye wollte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was sie angerichtet hatte.
*
Schon wieder, dachte sie, als sie erwachte. Wie viele Millionen Jahre sind diesmal vergangen? Nur eine? Bloß zehn? Hundert gar? Ich kann es nicht sagen.
Aber ihr war sofort klar, dass sich etwas verändert hatte.
Sie spürte KOLTOROCS Anwesenheit mit dem ersten Gedanken, doch seine Präsenz war nun ... nicht mehr wie zuvor. Da war keine Neugier mehr, die sie bislang immer wieder wahrgenommen hatte, kein fast zärtliches Zugetansein, kein ... ja, kein Stolz und keine Erwartung.
Natürlich hatte er immer wieder ihren Beifall, ihre Zustimmung erhofft. Doch in der langen Zeit, die sie nun geschlafen hatte, hatte sich etwas grundlegend gewandelt.
War er ihrer vielleicht ... überdrüssig geworden? Brauchte er sie nicht mehr? War er nun so mächtig, dass seine Herkunft keine Rolle mehr für ihn spielte? Dass er sie vielleicht vergessen hatte -oder vergessen wollte? Damit er verfahren konnte, wie es ihm beliebte?
Und seine Herkunft, das war sie. Ganz abgesehen davon, dass sie ihn als das Duale Prinzip erschaffen hatte, das er nun geradezu zelebrierte, hatte er sie bislang darüber hinaus als seine Schöpferin angesehen, als seine Mutter, so schrecklich diese Vorstellung für sie auch sein mochte.
Entwuchs er den Kinderschuhen und nabelte sich von seinen »Eltern« ab?
Diesmal vollzog sie den üblichen Ritus des Frischmachens besonders langsam. Sie lauschte mit allen Sinnen in die Lichtstadt, versuchte, KOLTO-ROCS Gedanken zu erhaschen, zumindest Fetzen davon, doch es gelang ihr nicht.
Sie nahm nur eine unterschwellige, brodelnde Wut wahr.
Sie war sich darüber im Klaren, dass KOLTOROC sie jederzeit töten konnte, wenn er es wollte. Vielleicht bestand ihre einzige Chance zu überleben darin, ihn daran zu erinnern, dass er ihr seine Existenz verdankte.
Als sie ihre Kabine verließ, konzentrierten sich die dräuenden Gedanken auf sie. Ja, KOLTOROC erwartete sie, und er führte nichts Gutes im Schilde. Inkadye schwante, dass er irgendwie beabsichtigte,
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