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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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Fall.«
    »Warum denn nicht? Es ist eine Privatschule, da kann er machen, wozu er Lust hat. Hör mal zu, es ist doch eigentlich am besten so. Was soll ich denn machen, Harper Lee unterrichten, bis ich tot umfalle? Wohl nicht. Ich mach dieses Jahr noch zu Ende, und dann ist Schluss. Keine Prüfungsarbeiten mehr zur Benotung. Keine Vokabeltests mehr. Keine rote Tinte mehr auf meinen Oberhemden. Diese Stigmata des Schullehrers. Schluss mit dem ganzen Zeug.«
    »Aber...«
    »Lass gut sein, Jakob.« LoBianco steht unsicher auf. »Gentlemen«, ruft er laut, »erheben Sie Ihre Gläser. Wir haben einen Neuling in unserer Mitte, einen jungen Mann, der erst vor wenigen Minuten aus der Dunkelheit ins Licht getreten ist und zum ersten Mal die Freiheit besitzt, seinen wahren Leidenschaften zu frönen.«
    »Dann am besten wieder zurück mit ihm in die Dunkelheit«, kommt ein Ruf aus der anderen Ecke.
    »Ruhig, Sir. Was ihm an körperlichen Vorzügen mangelt, das macht er mit... nun, mit anderen Vorzügen wieder wett. Er ziert sich noch ein bisschen in seiner Unschuld, aber ich denke, Sie werden ihn überaus bezaubernd finden, wenn er seinen Bammel erst einmal überwunden hat.«
    »Warum hältst du nicht einfach die Klappe, LoBianco!«, ruft ein anderer. »Du bringst hier keinen mehr zum Lachen.«
    Diese Neuigkeit trifft LoBianco schwer, er wirft einen abfälligen Blick in die Runde und knurrt: »Hierher kommen die Schwuchteln zum Sterben!« Er holt mit seinem Glas zum Wurf aus, überlegt es sich aber und trinkt.
    »Dann stirb, LoBianco«, sagt der Mann in der Ecke, »und bring es hinter dich.«
    Das ist der eine Ausweg, denkt Jakob. Der andere ist die Tür.

4
    Naturelle wartet auf Monty, als er nach Hause kommt, ihre schwarzen Haare zu einem schlichten Zopf zurückgebunden. Sie sitzt auf den Eingangsstufen, ein geschlossenes Buch im Schoß. Während er näher kommt, stellt sie sich auf die zweite Stufe, so dass sie auf gleicher Höhe sind, als er vor ihr steht. Sie küssen sich, aber er öffnet seine Lippen nicht. Sein Mund ist zu trocken. Doyle wedelt wild mit dem Stummelschwanz und setzt die Vorderpfoten auf die erste Stufe. Naturelle geht in die Hocke und kratzt den Hund hinter dem zerbissenen Ohr, Doyle schließt die Augen und leckt ihr mit seiner rauen Zunge das Handgelenk. Die Sonne ist untergegangen, und die Luft kühlt bereits ab.
    »Wartest du schon lange?«, fragt Monty, zieht seine Schlüssel aus der Tasche und steigt die Stufen hinauf.
    »Wie lange seid ihr beiden denn spazieren gewesen? Ich bin um sieben aufgewacht, da wart ihr schon weg.«
    »Ich hab keine Uhr mitgenommen.« Er hält ihr die Haustür auf, und sie geht hindurch. Doyle kommt hinterhergesprungen. »Warum hast du hier unten gesessen?«
    »Ich hab gelesen«, sagt sie und wartet in der Vorhalle, dass Monty die zweite Tür öffnet. »Ist ein schöner Tag gewesen.«
    Monty lacht. »Das kannst du laut sagen.«
    Er sieht in den Briefkasten, lässt den Werbezettel eines Lieferservices auf den gefliesten Boden fallen, folgt seiner Freundin und seinem Hund die dunkle, schmale Treppenflucht hinauf. Als sie den Treppenabsatz erreicht, greift er nach ihrer Hand und wirft einen Blick auf das Buch, das sie dabeihat. »Coco Chanel. Ein Leben. Wer ist das, die mit dem Parfüm?«
    »Sie war die Königin der Mode. Die ganzen weißen Ladys wollten immer nur weiß, weiß, weiß sein. Aber Coco Chanel ist den einen Sommer an die Riviera gefahren, und als siewieder zurück nach Paris kam, war sie total braun gebrannt, und auf einmal wollten sie alle braun sein.«
    Monty nickt, lächelt halb dabei und schließt die vier Schlösser seiner stahlverstärkten Wohnungstür auf, jedes Schloss mit einem anderen Schlüssel. Der beste Einbrecher aller fünf Boroughs würde fast eine Stunde brauchen, um hier hereinzukommen; das steht fest. Sie betreten die Wohnung, und Monty knipst das Licht an.
    Im Gegensatz zu dem düsteren Treppenhaus ist die Wohnung sehr schön; ein großes Zimmer mit Hartholzboden, große Fenster zu den Sandsteinhäusern auf der anderen Straßenseite hin, gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien an den Wänden. Monty hat sie selbst aufgenommen, Stadtansichten vor allem, mit einer alten Kamera, die einmal seinem Vater gehört hat. Monty ist ein passabler Amateur, gut genug, dass pro Film ein anständiges Foto herauskommt. Über dem Sofa hängt ein postergroßes Portrait von Naturelle, wie sie die Zähne fletscht und ein Fleischmesser schwingt. An dem Abend, als Monty

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