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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Benioff
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klar, dass er ein Schwindler ist. Jedes Mal, wenn er in den Spiegel schaut, sieht er einen Plagiator. Meinst du, da kann er gut schlafen, der falsche Dichter? Aber überhaupt nicht.«
    Jakob denkt, dass Ferlinghetti wahrscheinlich bemerkenswert gut schläft, aber das verkneift er sich.
    »Deering, Deering, Deering... Wo waren wir gerade?«
    »Bei den Philosophen«, sagt Jakob. »Wir sind immer noch bei den Philosophen.«
    LoBianco hebt seinen Wodka und leert das Glas, dann knallt er es auf den Tresen. »Mister Deering, Sie blasphemisches, selbstgerechtes Männlein; Sokrates ist nicht für Sie gestorben. Aber er hätte natürlich einen erstklassigen Lehrer für die Jungen abgegeben. Keine Frage.« Er kommt schwankend auf die Füße, stellt den Barhocker schräg, deutet Analverkehr an. »Bück dich, mein Sohn. Wenn ich einmal kurz die Methode des Sokrates demonstrieren dürfte. Ich unterrichte sämtliche Arschlöcher Athens! Guter Mann, guter Mann. Lieber ein Sodomit als ein Philosoph. Haben alle Beteiligten mehr von.«
    Jakob, der sich gerade fragt, warum er eigentlich nicht gegangen ist, als es am schönsten war, begreift auf einmal, dass die ganzen mittelalterlichen Männer im Raum dieser Vorstellung mit ausdruckslosen Gesichtern Zusehen, als hätten sie diese Handlung schon gesehen, und zwar besser ausgeführt.
    LoBianco will sich wieder hinsetzen, verfehlt den Hocker aber; seine Knie knicken ein, und er beginnt zu fallen. Jakob macht einen Satz, bekommt den Älteren um den Brustkorb zu fassen und hält ihn aufrecht. Wie zerbrechlich sein alter Lehrer geworden ist, nur noch Tweed-Jackett und Knochen. LoBianco lebt allein in seiner Apartmentwohnung in Park Slope und hat nie kochen gelernt. Wer versorgt ihn?, fragt Jakob sich. Er muss von Sachen zum Mitnehmen und dem kostenlosen Schulessen leben.
    LoBianco reißt sich los, setzt sich schwerfällig, das Gesicht zum Raum, und lehnt sich zurück, bis die Messingstange sein Gewicht trägt. Er gibt vor, von dem Beinahe-Sturz nichts mitbekommen zu haben, aber Jakob sieht die Farbe in seinem Gesicht und weiß, der Mann schämt sich. Trotzdem setzt LoBianco noch einen drauf, lauter jetzt, um seine Demütigung zu verschleiern. »Ein ungeprüftes Leben ist es nicht wert, gelebt zu werden und so weiter. Stimmt schon. Aber ein geprüftes Leben auch nicht; das hat er unterschlagen.«
    Jakob nickt und fragt sich, ob er seinen Freund wohl in ein Taxi wird verfrachten können. Und ob irgendein Taxifahrer bereit sein wird, einen Betrunkenen nach Brooklyn zu fahren. Der Barmann steht am anderen Ende des Tresens, ein Geschirrtuch in der Hand, und sieht LoBianco mit gelangweilter Verärgerung zu.
    »Ach, Mister Deering. Wenn Sie mit dem Flugzeug abstürzen, Mister Deering, wenn die Kinder am Schreien sind, wenn die Stewardessen sich in ihren Sitzen zusammenkauern und die Augen zukneifen und ihre Gebete sprechen, wenn der Pilot ins Funkgerät spricht: ›Sagt meiner Frau, dass ich sie liebe‹, wenn die alten Männer sich in die Hosen pissen und die Gepäckfächer aufspringen und die Koffer herauspurzeln und das Flugzeug abstürzt und der Boden näher kommt - wird Ihnen Ihre Philosophie dann ein Trost sein, Mister Deering, oder werden Sie kreischen wie wir anderen alle?«
    Mit seiner Tirade am Ende, dreht LoBianco sich auf seinem Hocker herum, kippt den Rest seines Wodkas hinunter und bestellt sich den nächsten. Es ist still hier drin, man hört nur den Barmann seinen Drink einschenken.
    »Und warum nun hat er dich sprechen wollen?«, fragt Jakob schließlich.
    LoBianco beobachtet den Barmann mit Adleraugen, voller Misstrauen, nur einen Einfachen eingeschenkt zu bekommen. »Hmm? Na ja, er lässt mich eben gehen, Jakob.«
    »Er tut was?«
    LoBianco sieht auf, eine Braue hochgezogen. »Das kann dich nicht ernsthaft überraschen. Ich erzähle dir seit Wochen, dass meine Tage gezählt sind.«
    »Aber das... Wie kann er dich rauswerfen? Du bist der beste Englischlehrer, den wir haben. Außer dir ist doch niemand...«
    »Rauswerfen kann man es eigentlich nicht nennen. Er wird am Jahresende bloß meinen Vertrag nicht verlängern. Ich bin teuer, Jakob. Einen von euch Jungspunden kriegen sie jederzeit für halb so viel Geld.«
    »Das gehört sich einfach nicht, Anthony! Das dürfen wir nicht zulassen. Wenn alle Lehrer mitmachen, dann kriegen wir eine Riesen-Petition zustande. Alle Schüler werden unterschreiben! Alle Schüler und alle Ehemaligen! Damit kommt er nicht durch. Auf gar keinen

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