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250 - Rückkehr nach Euree

250 - Rückkehr nach Euree

Titel: 250 - Rückkehr nach Euree Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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neben dem Maschinengewehr. Sie schossen nicht, weil sie Cinderella Loomer und Samuel Armadie schon von weitem erkannten; vielleicht waren sie aber auch einfach nur zu schwach, um noch abdrücken zu können.
    »Wie viele Schüsse haben Sie noch?«, sprach Sir Leonard sie an. Der Jüngere der beiden Männer hob die Hände und zeigte neun Finger. Offenbar war er auch zu schwach, um zu sprechen. Der kahlköpfige, hoch gewachsene Bursche hieß Claudius Merylbone und war der Sohn eines am Kratersee gefallenen Offiziers. Er war nur noch Haut und Knochen. »Bringen Sie mich zu Lady Windsor, Merylbone!«, verlangte Leonard.
    Ächzend stemmte sich der junge Mann hoch und schleppte sich ins Innere der Wohnkuppel. Es stank nach Talg, altem Schweiß und Schimmel. In einem der hinteren Räume fanden Sir Leonard und Eve Neuf-Deville die ehemalige Queen Victoria Windsor. Sie lag zitternd unter einem Haufen Decken, warf den Kopf hin und her und hatte Schaum vor dem Mund. Unverständliches Gemurmel kam über ihre fahlen, aufgesprungenen Lippen. Mit ihren sechsundvierzig Jahren war sie für einen Techno fast noch jugendlich zu nennen, doch die Strapazen hatten tiefe Furchen in ihr Antlitz gegraben.
    Ein junger, mittelgroßer Mann mit dichten rötlichen Locken wischte ihr den Schweiß von der Stirn und versuchte ihr Wasser einzuflößen. Vielleicht war er Mitte zwanzig, vielleicht ein wenig älter. Er hieß Mars Hawkins und war schon in Chatham Victorias Leibwächter und Geliebter gewesen. Zur Rechten ihres Lagers hockte ihr Berater Jefferson Winter und hielt ihre Hand. »Was ist mit ihr?«, erkundigte sich Sir Leonard.
    »Nervenzusammenbruch«, sagte eine dunkle Frauenstimme hinter Gabriel und Neuf-Deville. Sie drehten sich um. Josephine Warrington trat aus einer Wandnische. Sie trug ihre alte Rothaarperücke und einen blauen, zerschlissenen Umhang. »Das Nervenfieber haben wir in den Griff bekommen, aber seit ein paar Tagen ist sie verwirrt.« Die große massige Frau mit den herben Zügen musterte Sir Leonard und seine Begleiterin. »Sind Sie also auch wieder zurückgekehrt?«
    »Ja, der Winter ist mörderisch in diesem Jahr.« Die anderen Überlebenden des erschöpften Häufleins sammelten sich um Gabriel, Warrington und das Lager der kranken Queen. »Wir haben viele Männer und Frauen verloren, wie Sie sehen. Zu viele.« Gabriel blickte in die Runde. »Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Taratzen haben die Socks vertrieben, allerdings leben sie nun über uns unter der Schutzkuppel. Wir haben ein Bündnis mit ihnen geschlossen; das war notwendig, um zu Ihnen vorzustoßen. Eine Barbarin der Lords, sie nennt sich Traysi, hat großen Einfluss auf den König der Taratzen. Dank ihr könnte das Bündnis tatsächlich halten. - Nebenbei: Jemand sollte zu ihr hinaufgehen; wir brauchen Heilkräuter für Lady Windsor.« Dubliner trat vor, doch Leonard ignorierte ihn. »Am besten Sie, Loomer. Nehmen Sie den jungen Mann dort mit, er kann der Hexe den Zustand unserer Patientin am anschaulichsten beschreiben.« Er deutete auf den rotlockigen Burschen, der Victoria den Schweiß von der Stirn wischte.
    Mars Hawkins war ein Enkel von Anthony Hawkins, dem verstorbenen Wissenschaftsoctavian von London. Er machte keine Anstalten, sich zu erheben. Sein erstaunter Blick wanderte zwischen Gabriel und der Warrington hin und her. »Was soll das, Sir Leonard?«, sagte er endlich mit schleppender Stimme. »Befehle nehme ich eigentlich nur von Lady Josephine entgegen.«
    »Ich übernehme ab sofort das Kommando«, beschied Gabriel ihm knapp. »Stehen Sie auf und gehen Sie mit Loomer.«
    »Sie übernehmen das Kommando?« Die Stimme der Warrington klirrte vor Kälte. »Wir in London pflegen derart wichtige Angelegenheiten per Abstimmung zu entscheiden.«
    »Das mag früher so gewesen sein«, entgegnete Gabriel nicht weniger kühl. »Die Zeiten sind nicht mehr so, dass man sich den Luxus langer Diskussionen und Abstimmungen leisten könnte. Ich bin der Ranghöchste hier. Wie es der Bündnisvertrag zwischen London und Salisbury für den Katastrophenfall vorsieht, übernehme ich also auch das Kommando. Wenn mir etwas zustößt, gehe ich davon aus, dass Sie den Ranghöchsten nach mir zum Prime berufen.«
    »Haben Sie denn ganz vergessen, dass auch ich eine Prime bin, Sir Leonard?« Die Warrington beäugte ihn zornig.
    »Sie mögen einst die Prime des Londoner Octaviats gewesen sein, Lady Warrington. Damals war die Queen Ihre Vorgesetzte. Da Lady Windsor sich in

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