250 - Rückkehr nach Euree
roten Nebel in Rulfans Bewusstsein. Es waren Männerstimmen. Und sein Bewusstsein war ein warmer, dampfender Morast.
»Ich habe Armadie schon ein paar Mal angefunkt«, sagte eine der Stimmen. »Er ist jetzt endlich mit dem Köder unterwegs zu uns. Armadie glaubt nicht, dass wir einen Vorteil aus dem Gefangenen schlagen können. Aber er meldet die Gefangennahme weiter.«
»Wird auch höchste Zeit. Dann wird die Prime bald Bescheid wissen«, sagte die andere Männerstimme. »Bin gespannt, wie sie reagiert.«
Rulfan schlug die Augen auf. Er blinzelte in einen Panoramamonitor. Auf ihm ging gerade die Sonne über den Ruinen Londons auf. War er denn wirklich vierundzwanzig Stunden lang bewusstlos gewesen?
Er sah eine U-förmig geschwungene Instrumentenkonsole unter dem Panoramaschirm, und davor zwei Pilotensitze. Endlich begriff er: Man hatte ihn an Bord des EWATs gebracht. Er lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Jemand schien ihm einen Holzkeil mit einem Hammer in den Nacken zu treiben. Selbst die Zähne zusammenzubeißen tat weh.
»Der Bastard kommt wieder zu sich«, sagte eine der Stimmen, und jetzt erkannte Rulfan sie auch wieder: Es war Mars Hawkins' Stimme. »Wird auch Zeit.« Sessel knarrten, Kleider raschelten, Schritte schlurften - und dann standen sie vor ihm.
»Vorbei, Rulfan von Salisbury«, spottete Hawkins. »So schnell kann es gehen.«
Das feixende Gesicht drohte vor Rulfans Augen zu verschwimmen, doch es zerrte die Erinnerung aus seinen gequälten Hirnwindungen: Der EWAT hatte den Gleiter zerstört. Und Hawkins hatte ihn niedergeschlagen. Heimtückisch, von hinten. Irgendeinen harten Gegenstand hatte der Rotlockige ihm mit voller Wucht in den Nacken gerammt.
Der andere Mann feixte nicht, musterte ihn nur aufmerksam. Auch ihn kannte Rulfan flüchtig: Claudius Merylbone, ein kahlköpfiger, hoch gewachsener Bursche. Höchstens zwanzig und auffällig dürr. Seinen Vater kannte Rulfan gut. Er wusste nicht, dass Curd Merylbone nach Einsetzen des EMP von einem Lords-Barbaren in London ermordet worden war. [2]
Hawkins trat ihm in die Rippen. »Wie isses, Arschloch?«
Rulfan schnappte nach Luft. Der Schmerz raubte ihm das Bewusstsein fast aufs Neue.
»Wie isses, wenn man zur Abwechslung mal getreten wird, statt selbst zu treten?« Wieder trat er zu. »Verfluchter Tyrannensohn! Jetzt liegst du mal im Dreck, jetzt musst du um Gnade winseln!« Er bückte sich, holte aus und schlug Rulfan zweimal ins Gesicht.
Der Schmerz spießte seine Eingeweide auf, zerwühlte seine Nerven, kochte sein Knochenmark. Rulfan wusste nicht, wie ihm geschah. Er verstand kein Wort von dem, was der junge Hawkins ihm da ins Gesicht bellte.
»Lass ihn, Mars!« Merylbone jr. hinderte Hawkins, erneut nach Rulfan zu treten. »So sollten wir nicht mit Gefangenen umgehen! Wir sind schließlich keine Taratzen!«
»Hast du vergessen, wie sein Vater mit einem von uns umgegangen ist?« Hawkins wurde laut, ließ sich aber von Merylbone bändigen.
»Was… hab ich Ihnen getan?«, stöhnte Rulfan, als er einigermaßen Atem geschöpft hatte. »Warum tun Sie das?«
»Weil du der Bastard eines gottverdammten Faschisten bist, der Bastard eines Mörders!« Hawkins spuckte nach ihm. »Und der Spion eines Tyrannen!« Er wandte sich an den dürren Kahlkopf. »Wir sollten ihn fesseln.«
Rulfan verstand überhaupt nichts. »Ich soll ein Spion…?«
»Tu bloß nicht so scheinheilig!«, schrie Hawkins und machte Anstalten, sich erneut auf den Albino zu stürzen. »Du gehörst doch zu dem faschistischen Gesindel deines Alten!«
»Und Sie?« Rulfan hustete und spuckte Blut. Er musste sich auf die Zunge gebissen haben, als Hawkins ihn im nächtlichen Hinterhof niedergeschlagen hatte. Oder hatten Trümmer des explodierten Gleiters ihn erwischt? »Und wer sind Sie, wenn ich ein Spion und ein Faschist sein soll?«
»Wir sind die Demokraten von London«, erklärte Merylbone ohne jede Erregung, »und wir werden hier eine freie, demokratische Gesellschaft aufbauen.«
»Eine Gesellschaft ohne tyrannische Betonköpfe und faschistisches Gesindel!«, blaffte Hawkins, und dann an Merylbones Adresse: »Wir sollten ihn endlich fesseln.«
Aus dem Funk quäkte eine Männerstimme. Hawkins fuhr herum, ließ sich in einen der Sessel fallen und nahm das Gespräch an. Merylbone beachtete den vor Schmerzen stöhnenden Rulfan kaum noch und hörte mit.
Rulfan spitzte die Ohren. Jedes Wort, das er auffing, prüfte er sorgfältig. Er wollte unbedingt verstehen, was sich
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