2500 Kilometer zu Fuß durch Europa
gestellt haben. Spontan biete ich
meine Hilfe an, und bis kurz vor Mitternacht hämmern und schneiden und kleben
wir, bis der Boden fertig ist und wir stolz in unsere Betten fallen.
Vom Gewitter überrascht
In der Nacht hat es nicht geregnet, und
auch der Tag fängt trügerisch sonnig an. Schon denke ich, dass sich die Wolken
Richtung Nordosten verziehen werden. Noch habe ich nicht gelernt, die
Wetterzeichen richtig zu deuten. Gut gelaunt überquere ich gerade ein offenes
Feld, als das Gewitter plötzlich losbricht. Im Laufschritt marschiert eine
Armee aus pechschwarzen Wolken nur Meter über dem Boden auf mich zu, entreißt
den Bäumen die Blätter, rüttelt energisch an den Stämmen und umzingelt mich mit
einer nassen dunklen Wand, die kaum Sonnenlicht durchlässt. Ich bin so
beeindruckt, dass ich erst nach meiner Regenjacke greife, als bereits
tischtennisballgroße Hagelkörner auf den Boden prasseln. Fluchend hechte ich
mich unter einen von Blitzen im Sekundentakt erhellten Baum, zumindest bringe
ich noch die Geistesgegenwart auf, mir nicht den größten auszusuchen. Die
Regenjacke nützt nichts, die Nässe dringt durch den Pullover und das T-Shirt
bis auf die Haut, Wasserfäden rinnen meinen Nacken hinab, der Rucksack saugt sich
voll, gewinnt spürbar an Gewicht. Ich nehme mir vor, dem Jackenhersteller einen
Drohbrief zu schreiben, wenn ich hier rauskomme.
Fünfzehn Minuten dauert der Spuk, dann
lassen die Wolken plötzlich von mir ab, um neue Opfer in einem anderen Gebiet
zu terrorisieren. Durchnässt und frierend flüchte ich mich im nächsten Dorf in
das einzige Café und mache mir klar, dass ich heute schnell eine Unterkunft
finden muss. Meine Kleider trocknen nicht vollständig, und am Boden meines
Rucksacks hat sich eine ansehnliche Pfütze gebildet, in der meine restlichen
Socken und die Hose zum Wechseln schwimmen.
Missmutig setze ich den Weg fort. Mein
Reiseführer schleudert mir entgegen, dass die nächste Unterkunft noch Stunden
entfernt ist. Schon freunde ich mich mit dem Gedanken an, meinen Rucksackinhalt
unter einer alten Steinbrücke auszubreiten, dem einzigen trockenen Ort weit und
breit, da bemerke ich ein völlig durchweichtes Pappschild, das den Weg zu einer
kleinen Hütte weist. Noch zögere ich, weil sich die Unterkunft zwei Kilometer
außerhalb des Weges befindet, mich also zu einem Umweg zwingt, und ich nicht
weiß, ob sie überhaupt geöffnet und ob dort Platz für mich ist. Die Aussicht
auf ein Dach über dem Kopf und die Möglichkeit, schneller als gedacht aus
meinen nassen Kleidern zu kommen, bringt mich allerdings dazu, meine Bedenken
großzügig zu übergehen und den kleinen Wegweisern zu folgen.
Eine knappe halbe Stunde später stehe
ich vor einem mehrstöckigen Haus, das ein riesiger Garten umgibt. Als sich auf
mein Klingeln nichts tut, befürchte ich schon, die Nacht unter dem
überstehenden Dach dieses Hauses verbringen und morgen den Weg wieder
zurückgehen zu müssen. Vorher jedoch muss ich alle Möglichkeiten ausschöpfen.
Ich ignoriere das Warnschild vor dem Hund, trete in den Garten und klopfe an
den Hintereingang des Hauses. Nichts tut sich. Gerade als ich entnervt kehrt
machen will, entdecke ich in einer Ecke des Gartens, versteckt unter Bäumen,
ein kleines, ganz aus hellem Holz gebautes Häuschen. Sollte das vielleicht die
Jakobshütte sein? Hoffnungsvoll öffne ich die massive Eingangstür — und treffe
auf eine verdutzte Saquina , die genau wie ich hier
Zuflucht vor dem Gewitter gefunden hat. Ihr Gesicht strahlt mir entgegen, als
sie mich erkennt, wir fallen uns in die Arme. Wenig später kommen auch die Eigentümer
der Hütte: Ein strohblonder Holländer mit schalkhaften Augen und einem breiten
Grinsen, das ihn sofort sympathisch macht, und seine Frau, eine Französin aus
dem Nachbardorf, die uns neugierig über unseren bisherigen Wegverlauf ausfragt.
Schnell sind wir von den beiden eingenommen, und unsere Zuneigung steigt noch,
als sie uns eine dampfende Schüssel Nudeln auf den Tisch stellen. Lange
unterhalten wir uns zu viert über den bekannten französischen Jakobswegwanderer
Jacques, die Eigenarten der Deutschen und der Spanier und über die Vorteile,
eine Französin aus dieser Gegend zu heiraten. Noch vor wenigen Stunden hatte
ich über den plötzlichen Wetterumschwung geflucht. Jetzt denke ich, was für ein
Glück ich doch hatte, heute in ein Gewitter geraten zu sein, das mich zu diesen
redseligen Herbergseltern und zurück zu
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