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2500 Kilometer zu Fuß durch Europa

2500 Kilometer zu Fuß durch Europa

Titel: 2500 Kilometer zu Fuß durch Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bauer
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wird. Trotzdem bin ich froh, als um halb acht Uhr abends
kurz vor Riggisberg die Umrisse eines Bauernhofs
erscheinen, vor dem ein Pappschild mit der krakeligen Aufschrift Jakobspilger
willkommen!’ prangt. Und tatsächlich treffe ich hier auf ein übermenschliches
Wesen, so kommt es mir jedenfalls nach der heutigen Anstrengung vor: Ein Engel
in Form der etwa 45-jährigen Gutsbesitzerin bereitet mir einen rührenden
Empfang inklusive eines Ringelblumen-Fußbads, das mir, zusammen mit dem
herzhaft-deftigen Abendessen, meine Kräfte so schnell zurück gibt, dass ich am
nächsten Morgen putzmunter und voller Energie aus den Federn steige. Besser
gesagt, aus den Strohfasern, denn auch diese Nacht verbringe ich in einem
Heuhaufen, im Obergeschoss eines Stalls. Den Raum teile ich mit einem Dutzend
Kühe und dem Hofhund — und sicherlich habe ich viele weitere Zimmergenossen,
denn in meinem Strohhaufen raschelt es mitunter ganz gewaltig, als ob ganze
Mäusekompanien auf der Suche nach Essbarem unterwegs seien. Nach einer Woche
Jakobsweg bin ich jedoch abgehärtet genug, um dennoch eine erholsame Nacht zu verbringen.
     
     
    Ankunft in Fribourg
     
    40 Kilometer fehlen noch bis zu meinem
ersten großen Etappenziel, der Stadt Fribourg, in der ich einen Tag Pause
machen werde. Ich bin überrascht, wie gut es heute vorwärts geht. Bereits kurz
nach drei Uhr komme ich in Tafers an, das kurz vor
Fribourg liegt. Als im dortigen Café auch noch imitation of life von REM ertönt,
ist mein Glück perfekt. Das verbleibende Stück zwischen Tafers und Fribourg wird der interessanteste Abschnitt meiner Reise durch die Schweiz.
Direkt nach dem Ortsausgang von Tafers mache ich die
Bekanntschaft eines Rottweilers, der mir unzweideutig sein Missfallen daran
zeigt, dass ein Jakobspilger mit orangefarbenem Rucksack und zwei verbogenen
Skistöcken auf seinem Weg entlang spaziert. „Keine Sorge, der macht nichts!“,
ruft sein Herrchen, verkrampft lächelnd, mir zu, während sein Köter versucht,
die ihn haltende Leine durchzubeißen. Noch nach fünfzig Metern fletscht er —
also der Rottweiler, nicht das Herrchen — die Zähne, wenn ich mich umdrehe. Dabei
habe ich bisher immer gute Erfahrungen mit Hunden gemacht: Mit allen Arten habe
ich unterwegs Freundschaft geschlossen, von einer bewegungsunwilligen Dogge
über Mischlinge in allen Farbzusammensetzungen bis zu einem Pekinesen, den ich
anfangs für eine Katze gehalten habe.
     
    Wenige Schritte später, kurz nach meiner
Ankunft im Kanton Fribourg, tritt mir ein uniformierter Soldat entgegen und
murmelt etwas von einem Armeestützpunkt. Er spricht einen Dialekt, bei dem
vermutlich selbst eingefleischte Schweizer Hinterwäldler ihre Schwierigkeiten
hätten, und der von , — lis ’
und , cchhhs ’ nur so wimmelt. Außerdem betont er
grundsätzlich alle Worte auf der ersten Silbe. Dafür versucht er, das Eis
zwischen uns zu brechen, indem er lustige Bemerkungen fallen lässt, die seiner
Meinung nach sogar ein Deutscher verstehen kann, der so verrückt ist,
freiwillig durch die ganze Schweiz zu laufen. Unser Gespräch verlief etwa so:
     
    Soldat: „Halt! Jo grüezi was machts em fünfi herrausse , waans na
Fribourg?“
    Pilger: „Ähm, was bitte?“
    Soldat: [grinst] „Ah, skümmets nüüt uss drr Schwüüz ?“
    Pilger: „Nein, ich bin kein Schweizer.
Ich komme aus Konstanz und bin auf dem Jakobsweg.“
    Soldat: [man sieht ihm an, dass er
beginnt, an meiner Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln] „On süüns vom Bodensee [er sagt: „ Boodensä “] hierrheerr gloffe ?“
    Pilger: „Ja, in einer Woche, [in
einschmeichelndem Tonfall] Die Schweiz ist wirklich ein sehr schönes Land. [ich
setze mein Wink-mit-dem-Zaunpfahl-Lächeln auf Und überall so hilfsbereite
Menschen!“
    Soldat: „Jo so sünn mrr Schwüüzer , haha [lacht,
als hätte er gerade einen Wit z gemacht] Aber hier [er sagt: „ hüürrr ’] künnets nüüt durch [„ duuuchch “!], is militärisches Sperrgebiet, [lächelt mir freundlich
zu] Man könnte auf Sie schießen!“ [krümmt sich vor Lachen. Vermutlich
kommt ihm mein Akzent genauso verworren vor wie mir seiner. Oder er erzählt mir
irgendetwas, das ihm gerade einfällt, weil ich heute seine willkommene
Abwechslung während seines ansonsten langweiligen Sommertags bin.]
     
    Nachdem ich betone, dass es mir äußerst
unangenehm wäre, wenn auf mich geschossen würde, setzt er seinen Vorgesetzten
von der Ankunft des , düüütschen Passanten’ in Kenntnis und

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