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254 - Das Nest

254 - Das Nest

Titel: 254 - Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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Höhe - Paacival sah, dass die hübschen Gehilfinnen eifrig Öl nachgossen. Der rot bemalte Oberkörper des Druud glänzte im Licht. Der speckige Lederrock bedeckte notdürftig all die Dinge, die man ohnehin nicht erblicken wollte. Der Druud streckte sich, kreischte noch wilder, stampfte mit beiden Beinen und warf die eilig herbeigeschafften Knochen.
    »Unheil!«, stöhnte der Alte auf. »Gwoßes Unheil! Die Götta waanen uns! Unheil wiad üba unsa Doaf kommen! Betet zu den Göttan, auf dass sie uns schützend zua Seite stehn!«
    Paacival sah, wie einige junge Frauen die Hände entsetzt vor den Mund schlugen. Die meisten älteren Frauen und Männer dagegen verdrehten nur die Augen und schüttelten leicht ihre Köpfe. Das war nun innerhalb von zwölf Wochen das fünfte große angekündigte Unheil . Dafür ging es dem Stamm noch erstaunlich gut.
    Paacival fragte sich schwermütig, warum er die Auslieferung der schönen Twaysi damals nicht verhindert hatte. Nun , beantwortete er die Frage selbst, weil man es sich eben mit den Göttern nicht verscherzt. Und darum:
    »Iha habt de Dwuud gehöat!«, donnerte er mit lauter Stimme in die Nachtluft. »Unheil wiad kommen! Veastäakt die Wälle! Schäaft die Waffen! Wia müssen auf alles voabeweitet sein und die Götta ehan!«
    Zustimmendes Gemurmel breitete sich aus. Die Vorstellung war vorüber, der Druud ließ sich erschöpft von seinen Gehilfinnen zu seiner Hütte bringen. Paacival sah das zufriedene Grinsen auf seinem Gesicht. Dieser Alte war noch immer der Mittelpunkt des Stammes und verstand es, die Lords unter Kontrolle zu halten. Sie alle - er eingeschlossen - tanzten zu den Klängen seiner Knochenflöte, wenn Alizan es wünschte.
    Paacival wandte sich verdrossen ab. Er hoffte auf den Tag, an dem die Herrschaft des Alten endete.
    ***
    Eine Woche zuvor, Westminster Station
    Hrrney tobte. Er trampelte wild umher, warf Maschinengewehre gegen die Wand, schlug zwei Taratzen nieder, die das Pech hatten, in seinem Weg zu stehen, und trommelte mit den Fäusten auf die Wände ein, dass es hohl in der Station widerhallte.
    Rulfan hatte keine Mühe zu erkennen, dass es um Traysi ging. Oft genug spie der Taratzenkönig ihren Namen aus. Hrrney geiferte vor Wut. Dünne gelbe Speichelfäden tropften aus seinem Maul. Alle Taratzen waren aus seiner Reichweite geflohen. Er stand allein in der Nähe des flackernden Feuers zwischen den verlassenen Felllagern. Zwei Schritte entfernt lagen zwei neue blutverschmierte Tücher, die die Überreste von Taratzen enthielten. Eine davon war das drahtige Biest, das der König ausgesandt hatte, mit der Hexe zu verhandeln.
    Rulfan lag ganz ruhig auf seinem Lager und versuchte keine Aufmerksamkeit zu erregen. Traysi muss ihre Gabe zurückerlangt haben , dachte er und beobachtete Hrrney verstohlen. Offenbar sind ihre Verletzungen geheilt.
    Es war überdeutlich, dass Traysi Rache nehmen wollte. Wenn Rulfan sich nicht verzählt hatte, gingen bereits zehn Taratzen auf ihr Konto. Zwei weitere schienen unauffindbar verschwunden zu sein.
    Er berührte das metallene Halsband und die Kette, die zu einer Verankerung in der nahen Wand führte. Wenn er die Situation doch nur irgendwie für sich nutzen könnte! Aber die Kette war solide und ließ sich nicht aufsprengen. Der Albino seufzte leise.
    Gefangen. Tag für Tag gefangen. Als wäre ich ein Tier.
    Wenn Hrrney nicht gerade wütete, standen Rulfan zwei Taratzen zur Seite, die ihn bewachen und beschützen sollten. Hrrney fürchtete zurecht, dass seine Horde sich auf das Frischfleisch stürzen könnte.
    In diesem Moment kam Bewegung in den Raum. Aus der hintersten Ecke drängten fünf Taratzen heran. Sie bauten sich vor Hrrney auf, der verdutzt stehen blieb. Mit so viel Lebensmüdigkeit hatte er wohl nicht gerechnet. Er fauchte seine Untergebenen an.
    Die Taratzen wichen nicht zurück. Die größte von ihnen - sie war noch immer einen guten Kopf kleiner als Hrrney - sah dem König mutig entgegen und fauchte und zischte mit unverkennbarem Nachdruck in der Stimme. Wieder fiel Traysis Name. Machte die Taratze dem König etwa Vorhaltungen?
    Es musste wohl etwas in der Art gewesen sein, denn Hrrney holte aus und schlug dem Sprecher so heftig ins Gesicht, dass dessen Genick brach. Rulfan sah es mit Genugtuung. Wieder eine weniger…
    Nun strömten weitere Biester hervor. Der toten Taratze wurden die wenigen Sachen vom Körper gerissen, ihre Waffen verteilt. Ein weiteres Festmahl stand an. Rulfan beobachtete, wie eine

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