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254 - Das Nest

254 - Das Nest

Titel: 254 - Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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durchsichtige Handschuhe angezogen hatte, sah er aus wie ein Metzger. Auf seinen Unterarmen und dem Lederharnisch klebte Hrrneys Blut. Immer wieder sah er das Irrlichtern in den Augen von Hrrneys Untertanen. Den Blutdurst, den sie nur mit Mühe zurückhielten.
    Knapp zwanzig Minuten brauchte Rulfan für sein Werk. Als er den letzten Verband um die Wunde gelegt hatte, öffnete Hrrney die Augen erneut.
    »Rrulfan ferrtig?«
    »Ja, ich bin fertig. Aber es wird noch Tage dauern, bis die Wunde heilt.« Die Wächter entspannten sich und traten zurück.
    Auf diesen Moment hatte Rulfan gewartet. Er griff in den Koffer, der auf den Fellen neben dem Taratzenkönig stand, und riss ein Skalpell hervor, das er Hrrney unter das Herz presste. Die umstehenden Taratzen quiekten aufgeregt. Die Leibwächter hoben die Säbel.
    »Lass mich und Chira jetzt gehen«, forderte Rulfan. »Sag deinen Taratzen, sie sollen uns ziehen lassen, oder ich schneide dir das Herz heraus.«
    Hrrney grunzte. Seine Augen funkelten böse, doch zugleich sah er müde aus. »Gut«, brummte er. Dann stieß er einige Sätze in der Taratzensprache aus. Rulfan konnte nur hoffen, dass er nicht falsch spielte.
    Er wartete noch eine Sekunde, dann steckte er das Skalpell ein und hob Chira aus der Truhe. Sie winselte leise hinter ihrem Maulkorb. Sicher hatte sie Schmerzen.
    »Tut mir leid, altes Mädchen. Aber wir müssen erst mal hier weg«, flüsterte er ihr beruhigend zu.
    Rulfan ging rückwärts aus der Tür des mit Fackeln beleuchteten Raumes und weiter rückwärts in Richtung der Rolltreppe. Chira wog schwer auf seinen Armen, doch um nichts auf der Welt hätte er sie losgelassen.
    Er sah, wie die Taratzen im Raum Hrrney ungläubig anstarrten. Hielt der König tatsächlich sein Wort? Ließ er ihn und Chira ziehen?
    Rulfan hatte die Rolltreppe erreicht, als er Hrrneys Stimme hinter sich einen Befehl brüllen hörte. Das Drecksvieh benutzte seine Sprache, damit Rulfan ihn verstehen konnte!
    »Grreift ihn euch!«
    So viel zum Wort eines Königs!
    Rulfan packte die jaulende Chira noch fester und rannte die Stufen so schnell hinauf, wie er nur konnte…
    ***
    Sie hatten den Zugang zu der U-Bahn-Station erreicht, die Matt mit dem Binokular ausgespäht hatte. Es hatte länger gedauert, über die Trümmer hierher zu kommen, als der Mann aus der Vergangenheit ohnehin befürchtet hatte. Im Sichtschutz einer dicken Betonsäule waren sie vorgerückt. Jetzt wies Matt auf die beiden Taratzen, die den oberen Zugang bewachten.
    Zwei Bogenschützen spannten ihre Waffen. Sie schossen gleichzeitig, und ebenso synchron wie lautlos gingen die Wächter zu Boden.
    Paacival und seine Leute holten Fackeln hervor. Der Grandlord hob eine tönerne Flasche, die er an einem ledernen Band an seiner Seite trug. »Is Öl«, meinte er grinsend. »Damit machen wia auch unsewe Lampen an. Ham aba nich meha viele davon…« Matt winkte ab. Jetzt war nicht die Zeit für lange Gespräche.
    Paacival beträufelte die Lumpen, die um die Fackeln gewickelt waren. Sie brannten im Nu.
    »Gehen wir!«, drängte Matt. Er wollte eben die steinerne Treppe neben der Rolltreppe nehmen, als Aruula seinen Arm packte.
    »Warte! Ich höre etwas!«
    Auch die Lords verharrten und lauschten in die Tiefe. Jetzt vernahm Matt es auch: schwere Stiefelschritte! Und dahinter das klackende Trappeln von Taratzenkrallen.
    Animalische Schreie wurden laut. Matt ging noch eine Stufe hinab und sah eine vertraute Gestalt, die sich aus der Dunkelheit schälte und genau auf ihn und seine Fackel zulief.
    »Rulfan!« Matt sprang gerade noch rechtzeitig zurück, ehe der Albino mit ihm kollidieren konnte.
    »Maddrax! Aruula!«
    Rulfan sah furchtbar aus! Matt erschrak, als er das Blut auf seiner Haut und Kleidung sah. Und Chira in seinen Armen wirkte sogar noch mitgenommener.
    »Bist du verletzt?«
    »Keine Zeit zum Reden!«, keuchte Rulfan.
    »Sie kommen!«, rief Aruula mit gezücktem Schwert aus.
    Die Gefährten wichen zurück. Rulfan legte Chira neben einer Säule ab, damit er die Arme frei hatte. »Ist nicht mein Blut«, sagte er im Vorbeigehen zu Matt.
    »Haut se zu Klump!«, brüllte Biglord Djeyms.
    Paacival hatte sein Schwert ebenfalls erhoben, in der anderen Hand hielt er die Fackel.
    Aruula war bereits dabei, die erste Taratze anzugreifen, die die Treppenstufen heraufgehechtet kam und, geschockt durch das Bild, das sich ihr bot, wieder zurückzuweichen versuchte. Aruula war schneller.
    Die Lords bildeten einen geschlossenen Halbkreis

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