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256 - Der König von Schottland

256 - Der König von Schottland

Titel: 256 - Der König von Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn und Christian Schwarz
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Stuart mit der Zeit gänzlich auftauen und sie mehr und mehr ins Vertrauen ziehen würde.
    Rulfan dachte anders darüber. Als sie für einige Minuten unter sich waren und sich gemeinsam mit Aruula ankleideten, erklärte er den Linguisten für verrückt. »Egal, was die vergangenen Jahre mit ihm angestellt haben, ich erkenne ihn kaum wieder. Weder als Menschenfreund, noch als Zyniker würde ein Jed Stuart auf die Idee kommen, König von Schottland zu werden.«
    Matt verstand seine Aufregung nicht. »Ich halte die Idee für durchaus konsequent, wenn sie ihm hilft, die Stämme unter einen Hut zu bringen. Vielleicht ist es ja genau das, was die Menschen hier brauchen. Immerhin hat er den Norden schon weitgehend vereinigt.«
    »Er bringt mit diesem Größenwahn sich und seine Anhänger in Gefahr«, erwiderte sein Blutsbruder. »Er wird einen neuen, blutigen Krieg vom -« Weiter kam er nicht. Plötzlich stand der Fahrer des Buggys in der Tür, der die Verfolgung der Barbaren angeführt hatte: ein großer Mann mit blonden, kurz geschorenen Haaren und einem sympathischen Lächeln. Jed hatte ihn den Gefährten als seinen Vertrauten Patric Pancis vorgestellt. »Seid ihr so weit?«, fragte er.
    Während die beiden Männer wohl noch überlegten, wie viel »Pat« Pancis von ihrer Unterhaltung mitbekommen hatte, übernahm Aruula es, zu antworten: »Wir sind gleich so weit«, ließ sie den blonden Mann wissen.
    Pat nickte ihr zu. »Wir erwarten euch bei den Ställen.« Als er gegangen war, schob die Kriegerin ihr Schwert in die Rückenkralle und warf sich einen warmen Fellumhang um ihre nackten Schultern. »Auch mir kommt Jed beängstigend verändert vor«, bemerkte sie mit gesenkter Stimme. »Er benimmt sich, als hätte er etwas zu verbergen. Wenn es so ist, kann ich vielleicht während unserer Reise zu seiner Burg etwas darüber erlauschen .«
    Als die Gefährten zu den Ställen kamen, waren ihre Horseys bereits gesattelt. Der Buggy parkte in einem der Unterstände und Pat erklärte ihnen, dass das Fahrzeug für das steile, baumbewachsene Gebiet der Highlands nicht geeignet wäre. Nachdem Aruula hinter Matt auf das Reittier geklettert war, rief Jed nach ihnen. Er wartete am Rande des Marktplatzes und winkte sie mit einer fast gönnerhaften Geste zu sich.
    Während Matt Drax sein Pferd in Jeds Richtung lenkte, erinnerte ihn der Linguist einen Augenblick lang tatsächlich an einen König aus uralten Zeiten: Mit gerecktem Kinn saß er auf einem rabenschwarzem Horsey, dessen Zaumzeug und Sattel genauso golden schimmerten wie das Band, das er um seine Stirn geschlungen hatte. Feine Schneeflocken umrieselten die schillernde Gestalt, deren Abreise halb Stirling aus den Betten getrieben hatte.
    Bei ihm angekommen, zeigte sich der vermeintliche Regent von seiner liebenswürdigsten Seite und äußerst gesprächig. Er erkundigte sich nach Aruulas Befinden und sprach über den ersten Schneefall, der in diesem Jahr früher als sonst einsetzte.
    Als er mit ihnen die gewölbten Mauern des Stadttors durchquerte, verschwendete er kaum einen Blick an die Leute, die vor ihren Häusern standen, um ihn zu verabschieden. Seine blaugrauen Augen waren nur auf die Wälder gerichtet, die sich wie ein grüner Wall vor ihnen erhoben. »Jetzt, meine Freunde, betreten wir eine Welt, die, hm, keine menschlichen Regeln kennt.«
    Die kleine Schar ritt durch das leichte Schneegestöber den ersten Baumreihen entgegen. Während sie in den Wald eindrangen, erzählte Jed von der Stille und dem Trost, die der Forst der Highlands gequälten Seelen zu spenden vermochte, und von seinen Eindrücken, als er ihn vor vielen Jahren das erste Mal betrat. Als Matts Reittier wenig später durch das weiche Unterholz galoppierte, konnte der Mann aus der Vergangenheit nachvollziehen, wovon Jed Stuart sprach: Umgeben von den Baumriesen und ihren dichten Zweigen war es, als ob eine moosgrüne Decke ihn umhüllte. Es roch nach nassem Holz und Harz, und die Geräusche der Hufe klangen, als ob die Horseys durch Watte stapften. Jed schien diese Wälder zu lieben. Mit glänzenden Augen betrachtete er die Bäume, als wären sie seine Kinder. Schließlich wandte er sich wieder Matt und Aruula zu und setzte den Bericht über seine Ankunft in Schottland fort.
    Matthew hörte ihm aufmerksam zu. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie damals vergeblich auf die Rückkehr des Linguisten gewartet hatten, der die schottischen Stämme für die Schlacht gegen die Daa'muren gewinnen sollte.

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