256 - Der König von Schottland
Türknauf lösen. Doch im selben Moment drehte sich ein Schlüssel im Schloss und die Tür wurde geöffnet. Langsam glitt eine massige Gestalt herein. »Wo seid Ihr, mein König?«
Verborgen hinter der Tür, überlegte der Gefangene nicht lange. Er holte aus und schlug den Fremden nieder. Dann stieg er über den fetten Mann hinweg und stürmte die Treppe hinunter. Zwei schwarz gewandete Frauen standen vor der Eingangstür, offenbar Küchenmägde. Ängstlich blickten sie ihm entgegen.
»Wo gibt es hier Waffen?«, blaffte er sie an. »Zeigt mir den Weg!« Die Weiber schienen nicht zu begreifen, was er von ihnen wollte. Kurzerhand riss er der einen das Küchenmesser aus den zitternden Fingern und stürzte hinaus auf den Hof. Links vom Haupttor sah er die Ställe, davor einen einzelnen Wächter, der sich am Feuer wärmte. Die anderen waren über die Mauerbefestigungen verteilt. Irgendwie musste er sie ablenken. Und während er auf die Ställe zulief, wusste er auch wie.
Der Wächter am Feuer machte ein erstauntes Gesicht, als er ihn kommen sah. »So spät noch unterwegs, mein…« Luther ließ ihn nicht ausreden. Mit einem gezielten Messerstich durchbohrte er die Kehle des Ahnungslosen. Er beobachtete mit wildem Triumph, wie der Soldat mit großen Augen und gurgelnden Lauten zusammenbrach. Dann schleifte er ihn in die Ställe und nahm ihm das Kurzschwert ab. Dabei fiel sein Blick auf die automatischen Waffen, die an der Holzwand hinter dem Toten lehnten.
Heute muss mein Glückstag sein!
Schnell hängte er sich zwei der Gewehre um und sattelte eines der Horseys. Auf seinem Weg nach draußen packte er ein Büschel Stroh. Er hielt es ins Feuer und warf es kalt lächelnd in den Unterstand. »Damit werdet ihr ein Weilchen beschäftigt sein.«
Damit schwang er sich in den Sattel. Er rechnete fest damit, dass es beim Tor zu einer weiteren Auseinandersetzung kommen würde. Umso überraschter war er, als die beiden Wachen nur salutierten und dann eilig die Pforte nach draußen öffneten. Ganz offensichtlich verwechselten sie ihn mit jemandem. Umso besser! Wie von Orguudoo gejagt ritt der Mann, der sich für Luther hielt, dem Waldrand entgegen. Jetzt konnte ihn niemand mehr aufhalten.
***
Lieutenant Patric Pancis, der sehr wohl wusste, dass Commander Matthew Drax seinerzeit als hohes Tier bei der Allianz gegolten hatte, hielt nicht länger hinter dem Berg. Es schien ihn zu erleichtern, dass er endlich mit jemand sprechen konnte.
Endlich erfuhren Matt und Aruula die wahre Geschichte von Jeds Gefangennahme durch Luther in Stirling und vom fehlgeschlagenen Einsatz des Gedankenmanipulators. Und von Jeds immer wiederkehrender Persönlichkeitsspaltung.
»Irgendwas muss bei diesem Experiment gründlich schief gelaufen ist«, schlussfolgerte Matt. »Es scheint so, als wäre ein Teil von Luthers Bewusstsein in das von Jed transferiert worden, das nun immer wieder die Oberhand gewinnt.«
Pancis nickte. »Genauso sehe ich das auch, Commander. Ich nenne es das Luther-Ich. Meist dauert ein solcher Anfall nur wenige Minuten. Wenn Jed wieder er selbst wird, erinnert er sich nicht daran. Bisher haben wir keine Möglichkeit gefunden, ihm zu helfen.«
Matt sparte sich den Vorwurf, dass Pat und Nimuee ihn gleich hätten informieren müssen. Schließlich war er für sie kein Fremder. Auf alle Fälle mussten sie versuchen, Jed zu helfen. Er beschloss, erst einmal mit Nimuee zu reden.
Sie betraten gerade zu dritt die Eingangshalle, als Hufgeräusche vom Burghof nach innen drangen. Fragend schauten sie sich an.
»Vielleicht ist Rulfan zurück«, vermutete Aruula. Doch als sie durch ein Fenster blickten, erkannten sie nur eine dunkle Gestalt, die auf einem Horsey durch das geöffnete Tor nach draußen jagte. Und noch etwas sahen sie: In den Ställen flackerte heller Feuerschein!
Sie hasteten nach draußen. »Es brennt!«, rief Aruula den Wachen zu. »Feuer in den Ställen!«
Gleich darauf rannten Männer kreuz und quer über den Burghof, um eine Löschkette zu bilden, an der sich auch Pat Pancis beteiligte.
»Schauen wir nach Jed!«, keuchte Matt. Aruula nickte. Sie spurteten nach oben. Und fanden den Heiler Cris Crump, der am Türrahmen vor Jeds Schlafzimmer hockte und sich ein Tuch an seine blutende Schläfe hielt. »Stuart ist geflohen!«, keuchte er. »So schlimm war er noch nie!«
In diesem Moment bog Nimuee um eine Ecke und erfasste die Situation mit einem Blick. Das Blut wich aus ihrem Gesicht.
»Er hatte einen Anfall!«, rief
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