256 - Der König von Schottland
in Arfaars Namen handelst, dann ist das sicher besser für uns alle.«
Jed Stuart nickte. »Dann, hm, begleite mich in die Burg, Gallo - nur du allein. Ich verspreche dir freies, hm, Geleit, egal was passiert. Du weißt, dass ich mein Wort immer halte.«
Wieder flüsterte der Chieftain kurz mit dem Barden. Dann nickte er und trat vor. »Also gut, gehen wir.«
Seite an Seite schritten sie in das Kastell. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, dann kamen sie wieder zurück. Gallo war fast so weiß im Gesicht wie der frisch gefallene Schnee, und er zitterte am ganzen Leib.
»Nun, wie lautet deine, hm, Entscheidung, Gallo?«, fragte ihn Jed Stuart vor allen anderen.
Der Chieftain kniete vor ihm nieder, beugte dabei den Oberkörper und sagte mit brüchiger Stimme: »Du bist der… wahre König von Scootland. Ich schwör dir meine Treue. Und alle Freesas sind jetzt hinter dir.«
Der Barde brüllte enttäuscht auf. Im Angesicht der LP-Gewehre, die sich von den Zinnen auf ihn richteten, blieb das aber seine einzige Reaktion.
»Ich will es von dir, hm, hören, Gallo: Bin ich von Arfaar beauftragt?«
»Ja«, erwiderte Gallo und dann so laut, dass es von den Felsen, Burgmauern und verschneiten Tannen als dumpfes, vielfach rollendes Echo zurückkam: »Ja! Arfaar ist mit dir, König Stuart von Scootland.«
Dann erhob er sich und eilte mit stampfenden Schritten zu seinen Männern zurück. Ratlos sahen sie ihn an. Als der Barde etwas sagte, schrie Gallo: »Halt's Maul, du Shiip. Ich erzähl's dir später!«
Er stapfte auf den nahen Wald zu. Seine Männer folgten ihm. Als die Freesas zwischen den Baumstämmen verschwanden, sah Nimuee, die die Szene von den Zinnen aus mit einem Binokular beobachtete, wie Gallo sich umblickte, und sie glaubte noch immer die Furcht auf seinen Zügen zu erkennen.
***
Stuart Castle, 14. November 2525, immer noch derselbe Abend
Luther lag auf seinem Bett. Die Erinnerung an Gallos letzten Besuch hier auf dem Kastell spukte noch immer durch seinen Geist, blieb aber seltsam diffus. Wann war das noch gewesen? Warum träumte er von Vorgängen, bei denen er nicht dabei gewesen war, und das auch noch aus Stuarts Sicht, aus der Perspektive seines Erzfeindes? Er starrte auf das Schattenspiel, das die Kerzen auf die Decke projizierten. Farben und Formen verschwammen zu verwirrenden Klecksen und irgendwann begann sich das ganze Zimmer vor seinen Augen im Kreis zu drehen.
Der Wein! , dachte Luther plötzlich. Sie haben mir etwas in den Wein getan. Hastig wollte er aufstehen. Als seine Füße die kalten Steinfliesen berührten, überkam ihn Übelkeit.
Er unterdrückte den Brechreiz und stemmte sich hoch. Irgendwie musste er die Tür erreichen. Doch beim ersten Schritt durchbohrte ein messerscharfer Schmerz seine Schläfen. »Sie wollen mich vergiften«, stöhnte er noch. Dann schien sich der Boden unter ihm aufzutun und er fiel in einen schwarzen Abgrund.
Er wusste nicht, nach welchem Zeitraum er wieder zu sich kam. Er verschwendete auch keinen Gedanken daran - auch nicht, warum er sich plötzlich in der Burg seines Erzfeindes befand, wie er überhaupt hierher gekommen war und warum sein Kopf so höllisch schmerzte. Er richtete sich vollends auf und stierte zum vergitterten Fenster.
Der nicht mehr ganz volle Mond hing als bleiche Scheibe am sternenklaren Himmel.
Es ist schon Nacht! , schoss es ihm durch den Kopf. Sie werden auf mich warten.
Er hetzte zur Tür. Als er feststellte, dass sie verschlossen war, rüttelte er fluchend am Knauf, doch der Eisenbeschlag gab keinen Zentimeter nach! Wütend trat er gegen das schwere Eichenholz, schrie und tobte. Schließlich holte er den Stuhl vom Fenster und hämmerte ihn solange gegen die Tür, bis er auseinander brach.
»Bei Marwaan!«, knurrte er und starrte auf das Stuhlbein, das er noch immer in der Hand hielt. Dann drosch er damit auf den Knauf ein. Tatsächlich schien der sich langsam zu lockern. Erst als er draußen Stimmen hörte, hielt Luther inne und lauschte. Sie waren zu zweit. Einer rief nach diesem verfluchten Stuart. Jetzt versuchten sie herein zu kommen.
Luther trat einige Schritte zurück. Würde er mit zwei Angreifern fertig werden?
Doch auch sie schafften es nicht, sein Gefängnis zu öffnen. Was war da los? Hatten diese Dummköpfe den Schlüssel verloren? Nun vernahm er eine dritte Stimme. Eine Weile hörte es sich an, als ob gestritten würde. Dann wurde es still. Jetzt , dachte der Mann und wollte mit einem letzten Hieb den lockeren
Weitere Kostenlose Bücher