2578 - Das mahnende Schauspiel
unmöglichen Form.
Der Gleiter bog in eine Allee ein, in der ein noch stärkeres Gedränge herrschte.
»Das ist die Straße des kunstvollen Ausdrucks«, sagte Vetri. »Sie führt zum Turm des
Spiels, dem Hauptgebäude der Stadt. In ihm befindet sich auch euer Quartier.«
Ihr ausgestreckter Zeigefinger tauchte vor Saedelaeres Kopf auf. »Schaut«, sagte sie, »die
Besucher huldigen den Mimen!«
Der Terraner sah in die Richtung, in die Vetris Zeigefinger wies, und gab sich dabei Mühe, den
Duft - ein frischer Hauch wie von Kokos und Limone - von Vetris Hand zu ignorieren.
Saedelaere hatte die großflächigen Bilder auf den ersten Blick für Werbeplakate gehalten. Nun
erst erkannte er, dass die großflächigen Transparente mit animierten Symbolbildern von den Wesen
getragen wurden, die die Allee entlangspazierten.
Der Maskenträger zählte insgesamt fünf große Bilder mit mehreren Metern Fläche und Dutzende in
kleinerer Ausführung, die als Schild oder Körperüberwurf getragen wurden.
»Sind das die Mimen, die auf den Plakaten abgebildet sind?«, fragte Saedelaere.
Er unterdrückte den Impuls, die Maske anzuheben und die juckende Nase zu reiben. Das
Cappinfragment meldete sich in unangenehmer Weise zurück.
»Exakt!«, gab Vetri zurück.
Sie blickte ihn mit begeistertem Augenaufschlag an, rutschte ein paar Zentimeter näher an den
Maskenträger heran, damit er noch genauer sehen konnte, auf welches Plakat sie gerade wies.
»Da vorne siehst du Noser Netbura. Er spielt die Rolle des alten Königs. Auf der anderen Seite
siehst du Orsen Tafalla. Er hat eine der beiden Hauptrollen inne - er verkörpert den
Kanzler.«
Sie wartete kurz, bis der Gleiter näher an das bunte Geschehen herangekommen war.
»Die mit unvergleichlicher Schönheit gesegnete Arden Drabbuh schlüpft in die Rolle der
Prinzessin. Und dort ...«, Vetri klatschte vor Aufregung in die Hände, »siehst du die zweite
Hauptperson: der begnadete Gommrich Dranat in der Rolle des Hofnarren!«
Schweigend betrachtete Saedelaere die animierten Porträts. Die Mimen in ihren Kostümen drehten
sich um ihre Achsen, verbeugten sich in formvollendeter Eleganz und warfen dem Betrachter
Kusshände zu.
Die Mimen waren durchwegs von humanoider, menschenähnlicher Gestalt. In ihrer Darstellung
wirkten sie aber überhöht, idealisiert, als wären sie zum Leben erweckte Götterskulpturen.
Irgendetwas an ihnen strahlte äußerst vertraut auf den Maskenträger. Sosehr er sich jedoch das
Hirn zermarterte, er kam nicht darauf, was es war.
»Und wer ist das?«, fragte er mit belegter Stimme.
Er wies auf das fünfte und letzte Großporträt. Es zeigte eine hochgewachsene, nackte Figur von
geradezu betörender Eleganz. Saedelaere sah auf den ersten Blick, dass es sich um einen Mann
handelte, wenngleich er kein Geschlechtsteil hatte. Seine Haut wies einen bronzenen Grundton
auf.
Vetri ließ ihre Hand sinken. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Das ist der heimliche
Favorit des Publikums, aber auch die Kritiker überschlagen sich vor Lob über seine Leistung:
Renyi Hemdebb in der Rolle seines Lebens als Bote der Hohen Mächte!«
Alaska Saedelaere zuckte heftig zusammen. Er benötigte einige Atemzüge, bis er seine
Beherrschung wiedergefunden hatte. »Im mahnenden Schauspiel kommen also ein alter König, eine
Prinzessin, ein Kanzler, ein Narr und ein Bote der Hohen Mächte vor?«
»Das ist richtig, Alaska.«
»Und wovon handelt das Schauspiel, außer von einem See der Tränen?«
Vetri lachte heiter. »Noch ein wenig Geduld, mein Lieber. Wir wollen die Geheimnisse doch
nicht in einem Fahrzeug lüften!«
Saedelaere biss sich auf die Unterlippe. »Vielleicht könntest du mir eine ganz andere Frage
beantworten«, sagte er. »Ich bin auf der Suche nach einer Frau namens Samburi Yura. Hast du von
ihr schon gehört?«
Vetri runzelte die Stirn. »Der Name sagt mir nichts.«
Der Maskenträger aktivierte über das Multifunktionsarmband die Holobibliothek. Wie er es
bereits bei der Befragung von Korte Hanner getan hatte, ließ er ein verkleinertes Abbild der
Kosmokratenbeauftragten entstehen. Es handelte sich um die Aufnahme, die der SERUN im Schrein der
Ewigkeit auf Kopters Horst gemacht hatte.
Ihre persönliche Betreuerin betrachtete das Bild interessiert. »Ist das das Wesen, nach dem du
gefragt hast?«
»Ja.«
»Auch sein Anblick kommt mir nicht bekannt vor.« Vetri blickte auf. Sie lächelte
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