259 - Die Stunde der Wahrheit
hatte Vogler ihn so aufgelöst gesehen.
»Clarice!« Vogler sprang auf. Alles in ihm war eiskalt. Was war hier geschehen? Waren Clarice und Yann auch tot? Der Gedanke zog seine Luftröhre schmerzhaft zusammen. Er konnte kaum noch atmen. »Cla… rice…«, brachte er hervor.
»Rache!« Pozai'don sprang auf. »Wer auch immer das war, ich werde ihn durch alle Meere verfolgen und erst Ruhe geben, wenn ich seinen Kopf in den Händen halte!«
Ein Klopfen und entferntes Rufen lenkten Vogler ab. Jemand hämmerte von innen an das undurchsichtige bionetische Schott des kleinen Sicherheitsraums, in dem Gifte und gefährliche Medikamente aufbewahrt wurden.
Vogler eilte zum Schott. Es war verschlossen. Der Zugangscode war geändert worden.
»Pozai'don! Was muss ich hier tun?« Er wusste, dass der Wächter eine universale Elementfolge kannte, mit der er alle Zugänge der Stadt öffnen konnte. Diese Abfolge war nur ihm bekannt.
Pozai'don sprang ihm zu Hilfe und öffnete das Schott mit fliegenden Fingern. Heraus fiel ein halb bewusstloser, grauhaariger Mann.
»Yann!« Vogler fing ihn auf.
»Mir geht's… geht's gut… Sieh lieber nach… Clarice…« Yann taumelte von Vogler fort und stützte sich auf einen bionetischen Labortisch ab, neben dem sich in durchsichtigen Kästen Brüllwürmer tummelten.
Vogler eilte in den kleinen Raum - und zog Clarice heraus. Die Marsianerin hielt die Augen geschlossen. Zuerst fürchtete Vogler, sie sei tot, dann spürte er ihren Herzschlag unter seinen Händen. Die Erleichterung, die ihn durchflutete, machte ihn sprachlos.
Er suchte nach einem aufbauenden Mittel. Ein wenig kannte er sich inzwischen in Clarices Medikamentensammlung aus. Aber was konnte er ihr geben? Die Schriftzeichen verschwammen vor seinen Augen.
»Hilf mir«, flüsterte er. »Hilf mir, Clarice.« Er drehte sich zu ihr um, beugte sich hinab und schüttelte sie leicht. Es schien zu helfen. Clarices Lider flackerten.
»Vogler…« Sie blinzelte und öffnete die Augen. Ihre Stimme war schwach. »Mein Kreislauf ist… das C104… bitte…«
Er zog eine Spritze auf und gab ihr das stabilisierende Mittel, das sie verlangt hatte.
Yanns Atem beruhigte sich. Seine Gesichtsfarbe normalisierte sich allmählich.
Pozai'dons Stimme war mühsam beherrscht. »Redet endlich! Was, bei allen Meeresteufeln, ist hier geschehen? Yann?«
»Ich… ich weiß nicht genau… Es ging alles so schnell. Da waren diese Kerle… Zwei Hydriten von außerhalb. Unversehrte. Sie haben Clarice mit einem vergifteten Dorn niedergestreckt. Dann haben sie mich mit ihr weggesperrt. Ich hörte E'fahs und Gilam'eshs Schreie durch die Wand… Sie müssen sie getötet haben…« Er suchte nach Worten. »Ich wusste nicht, was ich tun soll. Zum Glück seid ihr gekommen…«
Clarice setzte sich langsam auf. »Sie haben mich gezwungen, Gilam'esh und E'fah zu rufen.« Die Marsianerin sah zerknirscht aus. Sie starrte auf die beiden leblosen Körper hinab. »Ich… ich wollte Gilam'esh warnen, aber…« Sie schluchzte. »Ich wollte nicht, dass er stirbt. Ich wusste nicht…«
Vogler nahm sie in die Arme. »Ganz ruhig, Clarice. Es ist nicht deine Schuld.«
Pozai'don ging zornig im Labor auf und ab. »Das bedeutet Krieg! Ich werde sofort alle Stadtbewohner zusammenrufen! Wir müssen die Mörder finden und zur Strecke bringen!«
Clarice verbarg ihr Gesicht an Voglers Schulter. »Ich habe versagt, Vogler. Meinetwegen sind sie tot.«
»Das stimmt nicht.« Vogler strich beruhigend übers rotbraune Haar. »Es war nicht deine Schuld.«
»Wir dürfen keine Zeit verlieren!« Pozai'don eilte zur Funkanlage. »Vielleicht sind sie noch in der Nähe! Je schneller wir diese Teufel fassen, desto besser.« Kurz entschlossen griff er auf dem Weg zur Anlage zur Pflanzenwaffe und tauschte die leeren Giftkammern mit wenigen Handgriffen gegen die vollen auf der Arbeitsplatte aus. »Sie werden mir nicht entkommen!«
***
Quart'ol dirigierte Ner'je, die vergeblich versuchte, mitten in dem Steinmassiv den Eingang nach Gilam'esh'gad zu finden. Der Eingang zur Stadt war gut getarnt. Quart'ol hatte selbst Mühe, die hervorspringende Kante im Fels zu finden, an der man sich orientieren konnte.
»Lenk die Qualle da hinüber.«
»Dann stoßen wir gegen die Wand!« Ner'je sah ihn an, als habe er den Verstand verloren.
Quart'ol unterdrückte ein amüsiertes Klackern. »Nein. Siehst du den Schatten dort? Da ist der Eingang zum Tunnel. Wir haben zusätzliche Sicherungen eingebaut. Nur Quallen
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