259 - Die Stunde der Wahrheit
sofort, dass der andere ein geübter Quan'rill war, der bereits mehr als einmal den Körper gewechselt hatte. Die Worte des Hydriten tönten klar in seinen Gedanken. Wechsel über, Prophet, oder du wirst sterben.
Vielleicht ist sterben besser!
Sei kein stumpfsinniges Kind! Wenn du nicht freiwillig folgst, zwinge ich dich!
Sie rangen miteinander. Ihr geistiger Kampf war machtvoll. Zwar konnte Gilam'esh nicht auf sein volles Potential zugreifen, aber auch so war er Lar'az durch seine Erfahrungen überlegen. Er konnte ihn erfolgreich darin hindern, seinen Geist hinüber in den Klon zu transferieren. Aber gleichzeitig regten sich in ihm Zweifel. Er hatte so unglaublich lange Zeit im Zeitstrahl verbracht. Wollte er sich wirklich jetzt aufgeben? So nah am Ziel seiner Wünsche?
E'fah stirbt , sagte der andere in seinen Gedanken. Soll ich sie sterben lassen?
Gilam'esh schrie geistig auf. Das wagst du nicht!
Ich werde sie retten, Gilam'esh, wenn du das möchtest. Noch ist sie nicht tot. Ich hole den anderen Klonkörper, dann kann sie in ihn umziehen. Aber du musst deinen Körper jetzt wechseln! Verstehst du? Es bleibt nur wenig Zeit.
Gilam'esh fügte sich zornig. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt. Sein sterbender Geist verwirrte sich zusehends. Bald würde er nicht mehr klar denken können. Der Kampf mit Lar'az hatte den Tod bisher ferngehalten. Nun schwanden seine Kräfte.
Er machte sich auf die Suche nach dem anderen Körper. Da war er! Die Hand des jugendlichen Klons lag auf seinem Arm. Gilam'esh konzentrierte sich. Da war das vertraute Gefühl, nach dem er gesucht hatte. Es zog ihn in den anderen Körper hinein. Sein Geist unterstützte diesen Sog. Er glitt hinüber.
Es war wie ein langer Atemzug. Und plötzlich war alles anders. Kraft und Mut durchströmten ihn. Alles um ihn her fühlte sich neu und ungewohnt an. Aber nicht zu seinem Nachteil. Dieser Körper war wesentlich näher an seinem alten, als der des Kindes. Er fokussierte seinen Blick. Sein Mund öffnete sich forsch: »Wo ist E'fah?« Ruckartig setzte er sich auf.
Und blickte auf die beiden Kinderleichen neben sich.
Lar'az hielt den Blitzstab drohend auf ihn gerichtet. »E'fah geht es gut. Mach keinen Unsinn, Gilam'esh! Wir wollen dich nicht töten. Vergiss das nicht. Wir wollen dich nur wegbringen. Raus aus der Stadt.«
E'fah richtete sich in ihrem neuen Körper neben ihm auf. »Verdammte Fischscheiße«, zischte sie leise.
Mir'tar zog das Messer aus dem Körper des Kindes und hielt es vor E'fahs Augen. »Denk immer daran: Du bist entbehrlich! Wenn du noch einmal wegläufst, E'fah, oder mir widersprichst, wirst du sterben.«
»Steht auf!« Lar'az sah sich nervös um. »Es wird bald hell! Wir müssen hier weg!«
»Darf ich mir vielleicht wenigstens was anziehen?« E'fah stemmte die Arme in die Hüften. Ihr jugendlicher Körper war ausgesprochen gut gebaut. Gilam'eshs Blick blieb an den nackten Brüsten hängen, die sich im Takt ihrer Atemzüge hoben und senkten.
Lar'az wies mit dem Blitzstab auf die beiden Kinderkörper. »Nehmt eure Lendenschurze. Aber beeilt euch.«
E'fah und Gilam'esh gehorchten. Die Lendenschurze waren zu klein und konnten nicht mehr doppelt gewickelt werden. Gilam'esh machte einen einfachen Knoten in die losen Enden. Dabei sah er immer wieder zu E'fah hinüber. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Normalerweise ruhte man sich nach einer Geistwanderung in der Umarmung von Freunden aus und wurde nicht herumgescheucht und bedroht.
Der Hydrit mit der Waffe dirigierte die beiden Quan'rill aus dem Labor.
Gilam'esh fühlte sich seltsam stark und benommen zugleich. Der neue Körper war so gänzlich anders. Wie viel doch wenige Jahre in der Entwicklung eines Hydriten ausmachten. Am liebsten hätte er gelacht.
Er fühlte sich, als könne er ganze Meere durchschwimmen. Keine Granitwand war zu hoch, keine Tiefseeschlucht unerreichbar.
Wut stieg in ihm auf. Wie konnten diese dreckigen Shaaks es wagen, ihn zu bedrohen und seinen Klonkörper zu vernichten? Denen zeige ich es noch! Die mache ich fertig!
Er schwamm vor Lar'az und seinem Blitzstab her. Er würde handeln müssen. Aber zuerst muss ich sie in Sicherheit wiegen.
Er warf E'fah einen verschwörerischen Blick zu. Die Hydritin sah feurig zurück. Wie schön sie war! Ihr violetter Flossenkamm war eine perfekte Welle. Hinreißend. Und diese vollen Brüste…
Gilam'esh schüttelte verwirrt den Kopf, als habe sich ein Kampffisch in seinem Scheitelkamm
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