2590 - Der Tote und der Sterbende
Geräusche und geben seltsame Echotöne von sich. Es sind Erscheinungen, die eine Vielzahl von Sinnen ansprechen würden, könnte man sie in ein vierdimensionales »Bild« übertragen.
»Da stimmt etwas nicht«, sagt Lloyd/ Tschubai. Er sieht sich um, als könnte er mit Blicken die Wände MIKRU-JONS durchdringen.
»Und zwar?« Ich rücke näher an die beiden Freunde im gemeinsamen Körper heran und versuche zu sehen, was sie sehen.
»Ich fühle mich unwohl. Es ist dasselbe Gefühl, das ich hatte, als dieser gewaltige Hyperblitz erschien.«
Perry, der eben noch geistesabwesend wirkte, reagiert augenblicklich. Er verstärkt die Leistung der Schutzschirme und macht sich bereit, MIKRU-JON in einem Gewaltakt zu beschleunigen, um einer drohenden hyperdimensionalen Gefahr zu entgehen.
Ich fühle Schwindel. Ich meine, den Atem geraubt zu bekommen, und die Wände des Schiffs rücken näher an mich heran. Was geschieht mit mir, was geschieht mit uns ...?
»Da!« Mondra deutet auf einen Holo- Schirm. Er stellt das gut spürbare Phänomen in Bildern dar.
Es ist, wie Lloyd/Tschubai vorhergesagt hat: Ein Hyperblitz, mit bloßen Augen nicht erkennbar, durchtrennt die Firnis des Weltalls. Er ist wesentlich schwächer als sein größerer Bruder, dem wir vor wenigen Stunden begegneten, und er beinhaltet ein völlig anderes Strahlungspotpourri, wie ich anhand der vagen Messergebnisse zu erkennen glaube.
Meine Sicht verschwimmt, und ich fühle ungewöhnliche Schwäche. Diese Erscheinung wirkt sich auf meinen Geist unglaublich intensiv aus; ich meine ... meine ...
»Was ist los?«, fragt jemand - Mondra? - besorgt und nähert sich mir von der Seite. Ich fühle ihre Hand. Sie stützt mich. Sie verhindert, dass ich haltlos zu Boden plumpse.
Um mich dreht sich alles. Warum, zum Teufel, geht es mir so schlecht, während alle anderen so gut wie nichts von der Wirkung des Hyperblitzes mitbekommen?
Mondras Nase wächst ins Unermessliche, auch ihre Finger und Brüste. Gleichzeitig entfernt sich ihre Stimme immer weiter von mir. Sie riecht nach überreifem Sauermilchkäse von Apas, wie ich ihn im Roulette meines Freundes Porticus auf Aurora in den letzen hundert Jahren ab und zu gegessen habe. Ich kichere unterdrückt. Ich weiß, dass ich unter Halluzinationen leide - und kann nichts dagegen unternehmen.
»Er hyperventiliert!«, sagt jemand.
Ich fühle mich gepackt und zu Boden gedrückt. Warum schmerzen meine Muskeln so? Warum fühle ich diese seltsame Hitze, und warum kann ich mich nicht mehr bewegen?
Etwas zischt, nahe an meinem Ohr. Ich sehe ein Injektionspflaster, das mir mit Hochdruck irgendetwas in die Blutbahnen jagt.
»... krampflösendes Mittel ...«, höre ich eine schrecklich quietschende Stimme aus einem Einerlei an Tönen heraus. Und: »... Wirkung wird gleich einsetzen ...«
Ich möchte lachen, doch es gelingt mir nicht. Was hindert mich daran?
Mein Gesicht schmerzt. Ich fühle, dass Tränen aus meinen Augen schießen, meine Wangen benetzen, in dicken Kullertropfen hinab zum Hals fließen.
Ich habe mich nicht mehr unter Kontrolle! Ich habe die Herrschaft über meinen Körper völlig verloren!
Plötzlich zerfasert der unentwirrbare Mischmasch an Sinneseindrücken und findet zu einigen wenigen Strängen, die es mir erlauben, wieder richtig zu hören, zu sehen, zu riechen, zu empfinden.
Ich drehe den Kopf. Es gelingt mir unter Mühe. Jemand grunzt und ächzt. Zu meinem Entsetzen stelle ich fest, dass es meine eigene Stimme ist. Unter Schmerzen breche ich ab, atme heftig und rasch durch, pumpe dringend benötigten Sauerstoff durch meinen Körper.
»Ganz ruhig!«, sagt Mondra Diamond zu mir, nun wieder normal proportioniert. »Tief durchatmen. Es ist alles in Ordnung.«
»Was ... war?«, krächze ich.
Jemand reicht mir Wasser. Ich öffne den Mund und trinke gierig.
»Du hast einen katatonischen Schock erlitten«, sagt Perrys Gefährtin. »Er hatte ganz offensichtlich mit dem Hyperblitz zu tun. Du hast unerwartet heftig darauf reagiert.«
»Nur ich?«
Das Schwindelgefühl lässt nach, die Welt rings um mich beginnt wieder so zu sein, wie ich sie gewohnt bin: Sie hat räumliche Tiefe, und all meine Sinneseindrücke sind fein säuberlich voneinander getrennt.
»Nur du«, bestätigt Mondra. »Lloyd/ Tschubai und Rence Ebion konnten den Blitz ahnen oder fühlen. Wir anderen blieben von der Wirkung unberührt.«
Ich versuche mich aufzurichten, und es gelingt mir unter einigen Schmerzen. Ich sehe Perry ins Gesicht.
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