26 - Die Sklavenkarawane
Seele einstweilen aus dem Körper, um mir die großen Schmerzen zu ersparen. So fand mich ein Reisender, welcher später kam und noch Leben in mir spürte. Er nahm mich mit nach Kenadem zu sich, wo ich erst erwachte, als ich verbunden wurde.“
„Wie hieß dieser Mann, welcher dich rettete?“
„Es war Barak el Kasi, der Emir von Kenadem!“
„Hast du sein Weib gesehen?“
„Viele, viele Male, denn die Frauen von Kenadem pflegen sich vor den Gästen ihrer Herren nicht zu verschleiern.“
„Beschreibe sie mir!“
„Warum?“
„Beschreibe sie, schnell!“ gebot der Jüngling fast trotzig, ohne auf das Warum zu achten.
„Sie war mild und wohltätig wie der Mond, auf dessen Strahlen sich die Fruchtbarkeit des Taues zur Erde senkt. Alle Menschen liebten sie. Der Emir war finster und streng, aber unsre Seelen neigten sich zueinander, er hatte mir das Leben erhalten, und wir öffneten einander die Ader, um das Blut der Brüderschaft zu trinken. Sein Leben ist wie das meinige und mein Tod wie der seinige. Er liebte mich. Außer mir, und noch viel mehr als mich, hat er seine Frau und sein Kind geliebt.“
„Du hast dieses Kind gekannt?“
„Diesen Knaben? Ja; er war das Geschenk Allahs, die Wonne seiner Mutter und die Hoffnung seines Vaters.“
„Haben sich diese Hoffnungen erfüllt?“
„Das weiß ich nicht, denn ich bin seit jener Zeit nicht wieder nach Kenadem gekommen.“
„Und der Emir, dein Blutsbruder, auch nicht zu dir?“
„Nein. Nur vor einem Monat, als ich nicht bei den Meinen war, ist ein Fremder gekommen, hat sich Barak el Kasi, Emir von Kenadem genannt und mit mir zu reden verlangt. Da ich nicht daheim war, ist er noch desselben Tages fortgegangen. Es muß ein Irrtum sein, denn mehrere meiner Krieger wollen in diesem Mann den berühmten Elefantenjäger erkannt haben.“
„Der Emir von Kenadem und der Elefantenjäger sind dieselbe Person.“
„Allah! Wie wäre das möglich!“
„Du sollst es bald erfahren. Weiß du, wie der Sohn des Emirs hieß?“
„Ja, es fehlte ihm an jedem Fuß die kleine Zehe; darum hatte man ihm den Namen Mesuf et Tmeni Sawabi-Ilidschr, Mesuf mit den acht Zehen, gegeben.“
„Nun, so schau einmal her!“
Er entblößte und zeigte erst den rechten und dann auch den linken Fuß.
„Schu halamr el adschib – welch ein Wunder! Auch du hast nur acht Zehen! Oder bist du etwa – – –“
Er hielt in der Rede inne, betrachtete den ‚Sohn des Geheimnisses‘ genau und fuhr dann fort: „Deine Züge sind noch nicht so fest, daß ich nach so langer Zeit in ihnen diejenigen deines Vaters oder deiner Mutter zu erkennen vermöchte; aber eine innere Stimme sagt mir, daß du der Sohn meines Blutsbruders bist. Antworte mir; sag mir, ob meine Ahnung mich täuscht oder nicht!“
„Ich bin es, Herr, ich bin der Knabe, welcher mit dir spielen durfte und dich im Scherz Abu en Nuhß nennen mußte. Ich habe bisher nicht gewußt, wer ich bin; nun ich aber dich erkannt habe, ist es mir so gewiß, als ob der Prophet es mir selber sagte, daß ich jener Sohn des Emirs von Kenadem bin.“
„So komm an mein Herz, du Sohn und Nachkomme meines Blutsbruders! Eine innere Stimme sagt mir, daß du es bist, ganz abgesehen davon, daß auch deine Worte mich überzeugen müssen. Es ist so, als ob ich ihn selbst getroffen hätte. Deine Freunde sind auch die meinigen, und meine Hand wird wider alle deine Feinde sein!“
Er ergriff den ‚Sohn des Geheimnisses‘ bei den Händen und zog ihn an seine Brust, um ihn zu küssen. Dann setzte er sich mit ihm nieder, und die beiden waren nun ganz ausschließlich miteinander beschäftigt. Es verstand sich ja ganz von selbst, daß sie sich gegenseitig so vieles zu fragen, zu beantworten und zu erzählen hatten.
Schwarz wandte sich von ihnen ab, diese sich selbst zu überlassen, und dachte nun erst daran, daß der ‚Vater der elf Haare‘ noch immer allein bei dem erlegten Nilpferd stand und auf die Leute wartete, welche ihm geschickt werden sollten. Er verkündete also mit lauter Stimme, daß ein großes, fettes Husan el Bahr getötet worden sei, was von Seiten der Asaker mit großem Jubel aufgenommen wurde, und sandte den ‚Vater des Gelächters‘ mit einer Anzahl Soldaten nach der betreffenden Stelle, welche er ihnen so genau beschrieb, daß sie dieselbe nicht verfehlen konnten.
Als sie dort ankamen, stand der Slowak mit geschultertem Gewehr bei dem Tier und rief ihnen mißmutig entgegen: „Sind euch Flintenläufe in die Beine
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