Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
26 - Die Sklavenkarawane

26 - Die Sklavenkarawane

Titel: 26 - Die Sklavenkarawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hundertundvierzehn. Und nun tritt näher, um nachzusehen, wie eine jede heißt!“
    Er zog ihn zu der nächsten Palme. Nicht ganz mannshoch zeigte der Stamm derselben ein Wort in arabischer Schrift, welches früher eingeschnitten worden war. Die Züge waren zu mehr als fingerdicken Wülsten aufgequollen, und so fiel es nicht schwer, das Wort zu lesen.
    ‚El Fatcha‘ stand da geschrieben; auf dem nächsten Stamm las Schwarz das Wort ‚El Bakara‘; am dritten stand ‚'l Ajli el Amran‘, am vierten ‚en Niswand‘ und am fünften ‚et Tauli‘. Das heißt zu deutsch ‚die Einleitung‘, ‚die Kuh‘, ‚die Familie Amrans‘, ‚die Weiber‘ und ‚der Tisch‘. Das sind die Überschriften der ersten fünf Kapitel des Korans. Der Imam hatte sie nicht genau nach dem Buch des Propheten, sondern nach seinem eigenen Dialekt eingeschnitten, und es verstand sich ganz von selbst, daß ein so abgeschlossener Ort, dessen hundertvierzehn Bäume die Kapitelüberschriften des Korans trugen, jedem Mohammedaner als Heiligtum gelten mußte. Die Niam-niam waren keine Anhänger des Propheten, hatten sich aber doch im Verkehr mit solchen so viel vom Islam angeeignet, daß auch sie eine Art heiliger Scheu vor der Schlucht empfanden. Die Führer blieben stehen und begnügten sich, dieselbe zu überblicken; die beiden Deutschen schritten weiter. Als auch der König mit den übrigen folgen wollte, bat Schwarz: „Bleibt zurück! Hier am Eingang gibt es so viel Felsgeröll und Schutt, daß die Eindrücke eurer Füße nicht gesehen werden können; weiterhin im Grase aber würdet ihr eine Fährte machen, welche uns an Abu el Mot verriete. Er soll nicht ahnen, daß sich heute schon jemand hier befunden hat. Wir beide aber verstehen es, einen nur geringen Fußeindruck zu machen und auch dieses wenige zu verwischen.“
    Sie gingen nur bis ungefähr in die Mitte der Schlucht. Das genügte, um ihnen die Überzeugung zu geben, daß es selbst dem geübtesten und kühnsten Tiroler Gemsjäger nicht gelungen wäre, an irgendeiner Stelle der Granitwand emporzuklimmen. Das hatten sie wissen wollen, und nun kehrten sie zurück, wobei sie nicht unterließen, die im Gras eingedrückten Spuren sorgfältig zu verwischen.

NEUNZEHNTES KAPITEL
    In der Falle
    Wie klug Schwarz und Genossen mit ihren Maßregeln gehandelt hatten, sollten sie sofort erkennen, denn eben als sie nun die Schlucht wieder verließen, deutete der ‚Vater der elf Haare‘ nach der Ebene hinaus und rief in seinem wunderbaren Deutsch: „Achtung gebte, aufgepaßte! Dort seint erscheinte Punkte, schwarz und sich bewegte. Was mag da kommte für Leute, nicht freundliche, sondern feindliche? Wir wollt uns versteckte, damit sie nicht kann sehente auch Punkte, unsrige!“
    Die Männer zogen sich schnell in das Gebüsch und dann unter die Bäume zurück. Da, am Rand des Waldes und von den Sträuchern verdeckt, konnten sie sehen, ohne selbst gesehen zu werden.
    Es waren erst nur vier oder fünf Punkte gewesen; ihnen folgten aber mehr und immer mehrere, und nach kurzer Zeit sah man eine sehr lange und schmale Linie, welche sich schnurgerade, wie mit dem Lineal gezogen, auf die Schlucht zu bewegte. Die Punkte wurden größer. Schon nach zehn Minuten konnte man erkennen, daß voran fünf Reiter waren, denen mehrere Fußgänger folgten. Nach abermals fünf Minuten überblickte man bereits den ganzen Zug, welcher sich in der Ordnung fortbewegte, daß hinter zehn oder noch mehr einzeln einander folgenden Fußgängern immer einige Reiter kamen.
    „Das ist Abu el Mot mit seinen Menschenjägern und den geraubten Negern“, sagte Pfotenhauer. „Sie kommen; wie gut, daß wir nicht lange auf sie zu warten brauchen! Nun wird der Tanz ja bald beginnen!“
    „Ein trauriger Tanz, wenn auch nicht für uns, so doch für unsre Gegner“, antwortete Schwarz. Und sich zu dem König wendend, fügte er hinzu: „Ich bleibe mit meinem Freund hier, um die Karawane zu beobachten; ihr aber kehrt zu unsern Leuten zurück, um sie von der Ankunft der Erwarteten zu benachrichtigen. Sie sollen bleiben, wo sie sind, und den Platz ja nicht eher verlassen, als bis wir kommen. Den beiden Homr und Dauwari steckt ihr Knebel in den Mund, damit sie nicht etwa durch Geschrei ihre und unsre Anwesenheit vorzeitig verraten können.“
    Der König folgte mit den andern dieser Aufforderung und entfernte sich, und die beiden Zurückbleibenden richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf den nahenden Zug. Sie sahen einen Reiter, welcher

Weitere Kostenlose Bücher