26 - Die Sklavenkarawane
schweigend weiter, bis sie ihn am Ufer erscheinen und einen schmalen, durch den Mimosenwald führenden Weg einschlagen sahen.
Erst jetzt wagte es Tolo, seinem Gefährten leise zuzuflüstern: „Du siehst, daß Tolo recht hatte, der Zug beginnt schon morgen.“
Lobo griff mit der Hand nach seinem schmerzenden Rücken, knirschte mit den Zähnen, rollte die Augen, als ob er sie herausdrehen wolle, und antwortete: „In unser Land nach Ombula. Allah, Allah! Unsre Freunde sollen Sklaven werden!“
„Und wir müssen die Weißen führen! Werden wir es tun?“
Lobo zögerte mit der Antwort. Er schien überhaupt geistig weniger begabt zu sein als sein Unglücksgenosse.
„Warum sagst du nichts?“ fragte dieser. „Sollen wir die Araber führen und unsre schwarzen Brüder mit töten und gefangennehmen?“
„Nein“, antwortete Lobo in bestimmtem Ton. Er war nun zu einem Entschluß gekommen. „Wir fliehen. Dann aber können wir Abu el Mot nicht töten, was wir doch tun wollten. Er ist noch nicht wieder da.“
„So töten wir Abd el Mot an seiner Stelle. Das ist fast ebensogut. Wenn wir ihm das Leben nehmen, so muß der Zug morgen unterbleiben, und wir retten die Leute von Ombula.“
„Werden sie es uns auch danken? Und wie töten wir ihn? Am Tag ist es ganz unmöglich, und des Nachts schläft er mitten unter den Wächtern. Man wird uns ergreifen. Ist es da nicht besser, wenn wir uns nicht in eine so große Gefahr begeben?“
Tolo erkannte gar wohl die Wahrheit dieser Worte. Er dachte nach. Jetzt erschallte von jenseits des Waldes ein schrecklicher Lärm herüber. Menschliche Stimmen sangen, jauchzten und brüllten. Dazu ertönten die ganz unbeschreiblichen Klänge der im Sudan gebräuchlichen Instrumente.
Das schien den nachdenkenden Neger schnell zu einem Resultat zu bringen. Er sagte: „Hörst du den Jubel? Jetzt hat Abd el Mot gesagt, daß die Ghasuah morgen beginnen soll. Nun entfalten sie die Fahne und fragen den Zauberer.“
„Er wird dem Zug günstig sein, und sie gehorchen ihm, denn er ist ein frommer Fakir. Auch wir sollten ihm eigentlich gehorchen, obwohl wir nicht zu Allah beten wie unsre Peiniger.“
„Nein, Tolo gehorcht nicht dem Fakir, sondern einem ganz andern.“
„Wem? Wer ist das?“
„Dem großen Scheik, der über den Sternen wohnt und niemals stirbt, der alles sieht und jede Tat belohnt oder bestraft.“
„Du hast Lobo davon erzählt, aber Lobo kann ihn nicht sehen.“
„Er ist überall, wie die Luft, die man auch nicht erblickt.“
„Vielleicht hat dich der Fremde belogen, der dir von ihm erzählte!“
„Nein. Dieser fremde Weiße war ein Missionar, ein guter Mann, der keine Lügen sagte. Er erzählte von dem großen allmächtigen Scheik, welcher den Himmel und die Erde gemacht hat und auch die Menschen. Er befahl ihnen, gut und fromm zu sein, aber sie gehorchten ihm nicht. Da sandte er seinen Sohn vom Himmel herab, der ihnen Gnade brachte und dafür von ihnen getötet wurde. Er lehrte, daß die Menschen einander lieben und sich nur Gutes erweisen sollen. Diese Lehre brachte der Khasis zu uns. Wir gewannen ihn lieb und glaubten seinen Worten. Da aber kamen die Sklavenjäger und töteten ihn. Tolo weiß noch alle seine Worte und wird nach denselben handeln. Die Liebe gebietet ihm, seine Eltern aufzusuchen und die Helle Ombula zu retten. Das wird er tun, selbst wenn es sein Leben kosten sollte. Der Sohn des Scheiks im Himmel ist auch ohne Murren gestorben. Und wer da stirbt, indem er Gutes tut und die Gesetze des großen Scheiks erfüllt, der ist nicht tot, sondern er steigt auf zum Himmel, zum Sohne des Scheiks, um bei demselben zu leben und niemals zu sterben.“
Der Neger hatte das mit wahrer Inbrunst gesprochen, im Ton vollster Überzeugung. Der andre schüttelte den Kopf und sagte: „Lobo versteht das nicht; aber du hast ihm noch niemals eine Lüge gesagt, und so will er es glauben und ganz dasselbe tun, was du tust. Hätte er den Khasis gesehen und gehört, so würde er wohl ganz so überzeugt sein, wie du bist. Also wir fliehen und retten Ombula!“
„Ja, und Abd el Mot töten wir zur Strafe für seine Taten und daß er morgen die Ghasuah nicht beginnen kann.“
„Aber ist es nicht der Wille des großen Scheiks, von welchem du sprichst, daß man den Menschen nur Gutes erweisen soll? Und du willst den Araber ermorden!“
„Das ist nichts Böses“, entgegnete der Neger in einem Ton, der allerdings zu besagen schien, daß er noch nicht ganz bibelfest
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