26 - Die Sklavenkarawane
sei.
„Lobo glaubt es dir. Aber selbst wenn es uns gelingt, ihm das Leben zu nehmen, wie kommen wir fort? Einen Kahn können wir nicht bekommen, so müssen wir also gehen, und dann werden die Hunde uns schnell eingeholt haben!“
„Du darfst nicht so zaghaft sein“, entgegnete der andre, „denn der große Scheik im Himmel wird uns beschützen. Man wird hier erst am Morgen den Tod Abd el Mots und unsre Flucht bemerken. Dann sind wir schon so weit entfernt, daß uns niemand einholen kann. Wir nehmen uns hier so viel Kisrah wie möglich, damit wir unterwegs nicht zu hungern brauchen.“
„Hat dein großer Scheik das Stehlen nicht auch verboten?“
„Ja. Also werden wir es nicht tun. Aber wir finden überall Wurzeln, Früchte und Wasser, um den Hunger und auch den Durst stillen zu können.“
Lobo schien doch ein Bedenken zu haben. Er blickte nachdenkend vor sich nieder und sagte dann: „Aber wie können wir vom Schiff fort, wenn Abd el Mot uns einen Wächter sendet?“
„Wir warten, bis er schläft.“
„Er wird nicht schlafen, sondern den Befehl erhalten haben, kein Auge von uns zu lassen.“
„Nun, so töten wir auch ihn.“
„Das ist doch nichts Gutes, sondern etwas Böses!“
„Der Wächter ist auch bös, denn er wird ein Weißer, ein Araber, sein. Ihm geschieht ganz recht, wenn er sterben muß; er gehört wohl gar zu den Leuten, welche uns gefangengenommen haben.“
„Du hast mir einmal erzählt, daß es der Wille des Scheiks im Himmel sei, auch den Feinden Gutes zu tun; du aber willst ihnen nur Böses zufügen.“
„Daran sind sie selbst schuld“, sagte Tolo und half sich über das Bedenken mit Kopfschütteln hinweg. „Schweig jetzt und arbeite, der Wächter kommt.“
Der Kahn nahte wieder. In demselben saß ein anderer Weißer, welcher an Bord gestiegen kam. Er schien sehr zornig darüber zu sein, daß er auf das Schiff kommandiert worden und nun von der Festlichkeit ausgeschlossen war, welche einer jeden Ghasuah vorherzugehen pflegt. Er warf den Sklaven drohende Worte zu und setzte sich in ihre Nähe, die Peitsche in der Hand. Sie arbeiteten mit angestrengtem Fleiß weiter. Miteinander zu sprechen durften sie nicht wagen; desto fleißiger aber dachten sie an ihr Vorhaben. Tolo war fest entschlossen, Abd el Mot und den Wächter zu ermorden. Das, was er von den Lehren des Missionars behalten hatte, kam nicht in Konflikt mit seinen heidnischen Anschauungen. Er wußte beides ganz gut in Einklang zu bringen. Lobo war weniger spitzfindig als er. Wie die meisten langsam denkenden und schwer begreifenden Menschen konnte er nicht leicht eine neue Ansicht fassen, welche seiner bisherigen entgegengesetzt war. Hatte er den Gedanken aber einmal gefaßt, so hielt er ihn fest und bewegter ihn fleißig im Herzen, soviel dies seinem Verständnis möglich war. Es wollte ihm nicht recht begreiflich erscheinen, daß man zwei Menschen ermorden und dabei doch den Willen des guten ‚Scheiks im Himmel‘ befolgen könne.
Der am linken Ufer des Flusses liegende Mimosenwald war sehr lang, aber nur schmal. Vom Wasser führten einige schmale Wege quer durch ihn hindurch. Folgte man einem dieser Pfade, so hatte man schon nach fünf Minuten den Wald im Rücken und eine weite, freie Strecke vor sich liegen.
Im Süden nennt man jeden Weg, welcher neben einem Fluß hinläuft, Darb tachtani, den unteren Weg. Ein Pfad aber, welcher von der Seite her, also senkrecht auf den Lauf des Wassers führt, eine Mischrah. Gewöhnlich steigt die Mischrah vom hohen Ufer herab. Die Wohnungen der Menschen müssen wegen der jährlichen Nilüberschwemmungen hoch liegen, und so kommt es, daß an einer Mischrah gewöhnlich sich Niederlassungen befinden. Besonders gern legt man die Seriben an solchen Stellen an, an denen ein Pfad hinab zum tiefen Ufer führt. Dies war auch hier mit der Seribah Omm et Timsah der Fall.
Hatte man, vom Fluß aufwärts steigend, den Wald hinter sich, so stand man vor einer hohen stachligen Umzäunung, hinter welcher die Tokuls dieser Sklavenjägerniederlassung lagen. Dieser Zaun war stark genug, um gegen Menschen und wilde Tiere Schutz zu bieten. Jede Seribah ist mit einer solchen Dornmauer umgeben, welche zwar europäischen Waffen nicht widerstehen könnte, gegen Pfeile und Lanzen aber vollständige Sicherheit gewährt. Die Ein- und Ausgänge haben keine Türen nach unserm Begriff, sondern einige stachlige Büsche genügen zum Verschluß. Diese Stellen werden übrigens des Nachts mit Wachtposten
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