26 - Die Sklavenkarawane
er traurig ist.“
„Tolo ist auch traurig, mehr traurig als du“, antwortete der andre ebenso leise. „Als Lobo und Tolo geraubt wurden, hat Abu et Mot Lobos ganze Familie getötet, aber Tolos Vater und Mutter entkamen; sie leben noch, und armer Tolo kann nicht zu ihnen. Darum ist er doppelt traurig.“
Er sprach in der dritten Person, meinte aber sich selbst, da er Tolo hieß.
„Warum soll Lobo nur halb traurig sein?“ fragte der erstere. „Wurden seine Eltern und Geschwister ermordet, so ist er unglücklicher als du. Und – – –“, er sprach so leise, daß sein Leidensgefährte es kaum verstehen konnte, „was hat ein Belanda zu tun, wenn der weiße Mann ihm die Seinen tötet?“
Tolo blickte besorgt nach den Sklavinnen, ob diese vielleicht horchten, und antwortete dann, indem er die Augen rollte: „Rache nehmen! Er muß Abu el Mot töten.“
„Ja, er muß, aber er darf nicht davon sprechen!“
„Seinem Freund Tolo aber kann er es sagen; dieser wird ihn nicht verraten, sondern ihm helfen mit dem Messer oder mit dem Pfeil, welcher in den Saft der Dinqil getaucht und vergiftet ist.“
„Aber dann wird man uns zu Tode peitschen.“
„Nein, wir fliehen.“
„Weißt du nicht, wie schwer das ist? Die Weißen werden uns mit Hunden verfolgen, welche uns sicher finden.“
„So macht Tolo sich selbst tot. Peitschen läßt er sich nicht, und leben mag er auch nicht, wenn er nicht bei Vater und Mutter sein kann. Der Weiße denkt nicht, daß der schwarze Mann ein Herz hat; aber er hat ein besseres als der Araber; er liebt Vater und Mutter sehr und will bei ihnen sein oder sterben. Weißt du, ob wir leben werden, wenn wir hier bleiben? Wir sind Eigentum des Weißen, und er kann uns beim kleinsten Zorn töten. Und wenn er eine Ghasuah unternimmt, so müssen wir mit und für ihn gegen unsere Brüder kämpfen. Auch da können wir getötet werden. Tolo will aber seine schwarzen Brüder nicht fangen und zu Sklaven machen!“
„Meinst du denn, daß es eine Ghasuah geben wird?“
„Ja. Warum reiben die Weiber dort nun schon seit vielen Tagen Durrha? Merkst du nicht, daß Kisrah gebacken werden soll? Viel Vorrat von Kisrah aber macht der Araber nur dann, wenn er sie als Vorrat bei einer Ghasuah braucht.“
Lobo schlug die Hände zusammen, machte ein erstauntes Gesicht und sagte: „Wie klug du bist! Daran hat Lobo nicht gedacht. Er glaubte, der Zug würde erst dann unternommen, wenn Abu el Mot aus dem Land der Homr zurückgekehrt ist.“
„Abd el Mot kann auch ziehen, wenn er will. Er ist der zweite Häuptling der Seribah und Abu el Mot der erste. Ist der erste nicht da, so befiehlt der zweite. Warum haben die Leute ihre Gewehre putzen und ihre Messer schleifen müssen, gestern und vorgestern schon. Niemand weiß vorher, was geschehen soll, aber wir werden bald etwas erfahren.“
„Weiß du, wohin es gehen soll?“
„Wie kann Tolo es wissen! Nicht einmal die weißen Soldaten, die sich in der Seribah befinden, erfahren es vorher. Abd el Mot allein weiß es, und – – –“
Er hielt inne, bückte sich auf seine Arbeit nieder und drehte an den Seilfasern mit einer Hast, als ob er sich bei dieser Beschäftigung nicht Zeit zu einem einzigen Worte gegeben habe. Sein Genosse folgte seinem Beispiel. Beide hatten gesehen, daß ein Mann in einem Kahn an den Noqer gelegt und das Deck desselben bestiegen hatte.
Dieser Mann war ein Weißer. Ein dichter, dunkler Bart umrahmte sein Gesicht, welches vom Sonnenbrand das Aussehen gegerbten Leders erhalten hatte; seine Züge waren hart, seine Augen blickten finster. Er trug einen eng anliegenden weißen Burnus, um welchen ein Schal gewunden war, aus dem die Griffe eines Messers und zweier Pistolen blickten. Die nackten Füße steckten in grünen Pantoffeln, und der Schädel war in ein grünes Turbantuch gehüllt, ein Zeichen, daß dieser Mann seine Abkunft von dem Propheten Mohammed herleitete. In der Hand hielt er die lange, dicke Nilpeitsche.
„Abd el Mot!“ flüsterte Lobo seinem Gefährten zu.
„Still, schweig!“ antwortete dieser ängstlich.
Der Weiße war also der zweite Kommandant der Seribah. Er nannte sich ‚Diener des Todes‘, während der erste Befehlshaber ‚Vater des Todes‘ hieß. Er blieb für einen Augenblick bei den Sklavinnen stehen. Diese arbeiteten mit doppeltem Eifer als vorher; doch schien ihr Fleiß seinen Beifall nicht zu finden, denn er schrie sie mit harter Stimme an: „Allah zerschmettere euch! Wollt ihr ihm die Zeit
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