26 - Die Sklavenkarawane
glücklichen und unglücklichen Tage und heilt alle möglichen Schäden des Leibes und der Seele mit Amuletten, welche er verfertigt und gegen guten Preis verkauft. Die Feindschaft eines solchen Mannes kann dem einzelnen sehr gefährlich werden.
Wird eine Ghasuah unternommen, so zwingt man den Scheik des Gebiets, in welchem die Seribah liegt, seine Neger als Träger und Spione zu stellen. Dafür wird er nach dem Raubzug mit Kühen entschädigt, was ihm natürlich lieber ist, als wenn er mit Sklaven bezahlt wird. Der Tag des Aufbruchs wird von dem Fakir bestimmt, welcher von jedem einzelnen Tage des Jahres zu sagen weiß, ob er ein glücklicher oder unglücklicher ist.
Sobald der Kommandant die Ghasuah verkündet hat, wird die Barakha aufgesteckt. Sie besteht aus einem großen, viereckigen, roten Zeug, auf welchem das mohammedanische Glaubensbekenntnis oder die erste Sure des Korans gestickt ist.
Sobald diese Fahne weht, weiß jedermann, daß ein Raubzug beschlossen worden ist, und die an demselben Beteiligten geben sich der tollsten Freude hin.
Abd el Mot hatte seine Absicht erst den beiden Belandanegern mitgeteilt, nachdem er selbstverständlich erst von dem Fakir erfahren hatte, daß der morgige Tag ein glücklicher sei. Dann zur Seribah zurückgekehrt, hatte er die Fahne aufstecken lassen. Der Jubel der ersten, welche dieses willkommene Zeichen erblickten, rief alle andern Bewohner der Tokuls aus den Hütten hervor. Die Musikinstrumente wurden geholt; man scharte sich zusammen und schleppte alle vorhandene Merissah herbei, um die glückliche Stimmung durch einen berauschenden Trunk zu erhöhen.
Der Fakir erschien, hielt eine anfeuernde Rede und bot Amulette aus, welche im bevorstehenden Kampf vor Verwundung und Tod schützen sollten. Dann begann die Musik zu spielen, aber was für eine!
Da war zu sehen und zu hören die Rababah, eine sehr primitive Gitarre mit drei Saiten, die röhrenförmige Bulonk von ausgehöhltem Kamaholz, die Noga-rah, eine Kriegspauke, aus einem hohlen Baumstumpf konstruiert, die Darabukka, eine kleinere Handpauke, ferner surrende Flöten, hölzerne Riesenhörner, deren schreckliche Töne dem Rindergebrüll gleichen, steinerne Klappern, geschüttelte Flaschenkürbisse, in denen Steine rasselten, Antilopenhörner, deren Töne dem Jammern eines frierenden Hundes gleichen, kleine und große Pfeifen, mit denen man alle möglichen Tierstimmen, besonders die Stimmen der Vögel, nachmachte. Wer kein Instrument hatte, brüllte und heulte nach Belieben. Viele improvisierten ganz sonderbare Geräusche. Der eine schlug mit einem Stock auf dürres Reisig, der andere kniff einem Hund in den Schwanz, daß das Tier ganz zum Erbarmen musizierte; der dritte schwang an einer Schnur eine Blechplatte im Kreis, um das Pfeifen des Sturmes nachzuahmen. Kurz, es war ein entsetzliches Konzert, welches nur auf kurze Zeit unterbrochen wurde, als der Fakir die Helden aufforderte, das Sklavenjägerlied zu singen. Die Kerls stellten sich in zwei Reihen einander gegenüber auf und sangen: „U marran basahli! U marran alei dschebal, U marran antah el woara, el es soda kubar. U marran besahli! U marran ketir hami, U marran fi woar kan ro dami; U marran katach barrut, Jentelik e reqiq schi dali!“
Das heißt zu deutsch: „Und trinken ist meine Lust! Und dann hinaus in die Berge und hinaus in den Wald, wo der Löwe haust. Und trinken ist meine Lust! Und kommt die Verwegenheit über mich, da fließt wohl Blut in der Wildnis; und dann wird Pulver verpufft und ich bring' Sklaven mit nach Hause!“
Doch welche Stimmen waren das, die dieses Lied sangen! Der eine brüllte wie ein Löwe und der andere wie ein Ochsenfrosch. Ein dritter schrillte im höchsten Fistelton, und ein vierter schleppte, wie eine Baßgeige brummend, hinterdrein. Eine Melodie gab es nicht, jeder sang so hoch oder tief, wie es seinem Kehlkopf angemessen war. Nur die einzelnen Worte klangen zusammen, da der Fakir mit hoch erhobenen Armen skandierte. Dies tat er in einer Weise, daß er an einem andern Ort sofort als völlig unheilbar ins Irrenhaus gebracht worden wäre.
Als das Lied zu Ende war, wurde wieder getrunken und Musik gemacht. Dann ward ein Tanz arrangiert, den drehenden Derwischen nachgeäfft. So ging es unter steter Abwechslung von Musik, Gesang und Tanz bis in die späte Nacht, da es keinen Tropfen Merissah mehr gab.
Der Lärm schallte über den Wald hinweg bis zum Fluß und dem Schiff. Dort saßen die beiden Belandaneger und vor ihnen
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