26 - Die Sklavenkarawane
zerstreutes Heu am Boden lag. Der weit sich hinausdehnende Horizont war ringsum durch keinen einzigen erhabenen Punkt markiert.
Die Stapfen der Neger waren auf der harten Erde nicht zu erkennen; aber der Hund war seiner Sache gewiß und geriet nicht für einen einzigen Augenblick in Unsicherheit.
Stunde um Stunde verrann. Die Strecken, welche man zurücklegte, wurden immer bedeutender, und noch immer war von den Flüchtigen nichts zu sehen. Sie mußten, wenn auch nicht im Galopp, doch immer im scharfen Trab gelaufen sein, eine ganz außerordentliche Leistung, wenn man bedachte, daß sie einen Zeitvorsprung von nur zwei Stunden gehabt hatten.
Freilich waren die Pferde der Sklavenjäger bei weitem keine Vollbluttiere. Im Sudan verkommt die beste Pferderasse sehr schnell, teils infolge der Feuchtigkeit zur Regenzeit, mehr noch aber durch die unvernünftige Behandlung seitens der dortigen Völker und der außerordentlichen Stechfliegenplage. Berüchtigt sind die Baudah- und Surrehtafliegen.
Zur heißen Jahreszeit trocknet der Boden so aus, daß die Pferde kein Futter finden. Da ziehen sich die Fliegen an die Flüsse zurück. Dann aber, wenn sich die Vegetation zu regen beginnt, entwickelt sich die Insektenwelt, und besonders die Familie der Dipteren, zu einer geradezu entsetzlichen Landplage. Ungeheure Schwärme stechender Mücken und Fliegen erfüllen die Luft und peinigen Menschen und Tiere auf das fürchterlichste. Sie bedecken dann die Pferde, Rinder, Kamele und andre Tiere in so ungeheurer Menge, daß die Haut gar nicht zu sehen ist. Die Surrehta wird den Tieren geradezu lebensgefährlich; dasselbe sagt man auch von der berüchtigten Tsetse. Doch darf man ja nicht denken, daß der Stich oder Biß eines oder einiger dieser Insekten den Tod herbeiführt. Diese weitverbreitete Anschauung ist grundfalsch.
Geradezu undurchsichtige Mengen von Tabaniden, Culicinen, Sippobosciden, Museiden und wie sie alle heißen, hüllen die armen Tiere förmlich ein, so daß der ganze Körper derselben eine einzige große Wunde wird. Das unaufhörliche Ausschlagen, Stampfen und Sichbäumen ermüdet das befallene Tier, raubt ihm jede Ruhe und nimmt ihm auch den Appetit. Eine solche Tage, Wochen und Monate währende Tortur muß es krank machen und schließlich umbringen. Der geringste Hautriß oder Satteldruck wird da zur jauchigen, von Maden wimmelnden Wunde, welche den Untergang des Tieres nach sich zieht. Die Pferde, Rinder und Kamele besitzenden Stämme ziehen um diese Zeit, um ihre Tiere zu retten, nach dem Norden.
Aus diesem Grund und noch andern Ursachen wird man im Sudan selten ein gutes Pferd zu sehen bekommen. Auch diejenigen, auf denen die Truppe Abd el Mots ritt, waren von der letzten Regenzeit und der jetzigen Dürre so mitgenommen, daß große Ansprüche an sie nicht gemacht werden konnten. Man mußte sie öfters langsam gehen lassen; sie trieften von Schweiß und hatten kurzen Atem. Diesem Umstand allein hatten die beiden Neger es zu verdanken, daß sie nicht so schnell eingeholt wurden.
Gegen Mittag rückte der östliche Horizont näher. Ein schwarzer Strich, welcher sich dort zeigte, ließ auf Wald schließen. Der Bahr Djur-Arm des weißen Nils kehrte von seinem Bogen zurück. Die Gräser waren hier weniger dürr, und endlich traten einzelne Suffarahbäume vor die Augen. Diese Akazienart hat eigentümliche Anschwellungen an der Basis der Stacheln, aus denen sich die sudanesischen Jungens Pfeifen zum Spielen machen. Suffarh heißt im sudanesischen Dialekt ‚pfeifen‘; daher der Name dieses Baumes.
Der Hund lief, mit der Nase immer am Boden, ohne irre zu werden, zwischen den Bäumen hin, welche immer enger zusammentraten und endlich einen ziemlich dichten Wald bildeten, so daß die Pferde nun langsamer gehen mußten.
Hie und da gab es eine trübe Wasserlache, in deren Nähe der Boden feucht war. An solchen Stellen konnte man die Fußspuren der beiden Neger deutlich sehen. Ein Indianer oder Präriejäger hätte aus diesen Eindrücken leicht bestimmen können, vor welcher Zeit die Flüchtigen hier gewesen seien. Dazu aber reichte der Scharfsinn der Sklavenjäger nicht aus.
Leider befanden die Verfolgten sich gar nicht weit vor den Verfolgern. Sie waren bis zum Tode ermüdet. Als sie den Wald gesehen hatten, war ihnen der Gedanke gekommen, daß sie nun gerettet seien. Sich umschauend, hatten sie da aber am nördlichen Horizont den Reitertrupp bemerkt, was sie zu einer letzten großen Anstrengung spornte.
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