Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
Frauenchronik. Alle Frauen der Dreizehn Inseln, die mehr als fünfzehn Jahreswechsel miterlebt hatten, waren eingeladen, die lauwarme Nacht im Licht von Fackeln und umtanzt von Leuchtkäfern in angenehmer Atmosphäre zu verbringen.
    Männer reichten sauren Wein und Räucherfleisch, um sich bald darauf in die Hütten zurückzuziehen und sich Wachs in die Ohren zu stopfen. Sie wussten aus Erfahrung, dass es am Lagerfeuer allzu lustig zuging - und sie stets die Leidtragenden waren.
    Doch in diesen Zeiten hatten sie nichts zu befürchten. Seit einigen Monden wollte bei den Zusammenkünften keine rechte Stimmung aufkommen. Unsichtbare Barrieren waren zwischen den Kriegerinnen entstanden. Sie rückten voneinander ab, die Gespräche blieben oberflächlich, kaum jemand von ihnen wollte aus sich herausgehen und Probleme, die die Gemeinschaft betrafen, offen ansprechen.
    Nachdem der offizielle Teil der Zusammenkunft beendet war, blieben die Kriegerinnen lethargisch sitzen; als wollten sie gar nicht mehr hier sein. Sie stierten ins hoch lodernde Feuer oder spielten lustlos mit Holzstecken, die sie in die Asche bohrten. Nur dann und wann fand sich eine Kriegerin bereit, aufzustehen und einige Worte über ein kleineres Problem zu verlieren.
    Bahafaa hielt sich im Hintergrund, wie immer. Ihr Platz befand sich weitab vom Feuer, und sie erfasste die Worte ihrer Kameradinnen als Gemurmel, wie es Meereswellen verursachten, wenn sie am Strand ausrollten. Da war kein Gelächter zu hören, keine schmutzigen Zoten über die Leistungen der Männer im Bettlager. Keine derben Scherze, kein Schenkelklopfen, keine Herausforderungen zu einem Waffengang mit stumpfen Schwertern.
    Bahafaa stand auf und trat entgegen ihrer Absichten näher ans Feuer heran. Sie war unruhig, und sie wollte sich aus unmittelbarer Nähe davon überzeugen, was hier falsch lief.
    Eine ältere Kriegerin mit narbenbedeckten Armen und Beinen stand auf. »Ich bin müde«, murmelte sie und streckte sich, »ich gehe schlafen.«
    Zwei weitere Frauen erhoben sich, dann die Königin, die Schamanin und die Erste Kriegerin. Damit war die Zusammenkunft beendet. Kritiken würden unausgesprochen, Probleme bestehen bleiben.
    »Ich habe etwas zu sagen«, hörte Bahafaa ihre eigene Stimme.
    Konsternierte Blicke trafen sie. » Du? «, fragte Brythuula abschätzig.
    »Ja, ich.« Den Göttern sei Dank, dass sie im Gegenlicht des Feuers nicht sehen können, wie sehr mir die Knie zittern.
    »Dann sprich.« Juneeda bedeutete ihr, neben sie zu treten.
    »Bemerkt ihr denn nicht, was hier vor sich geht?«, fragte Bahafaa, während sie der Anweisung der Schamanin folgte. »Seitdem Hermon bei uns ist, benehmt ihr euch ganz anders. Ihr streitet euch um die Gunst des Händlers, ihr ergeht euch in Eifersüchteleien und versucht euch gegenseitig zu übertrumpfen, indem ihr eure Gesichter bunt anmalt und seltsame Kleidung tragt.«
    »Hermon ist ein Geschenk der Götter!«, rief Brythuula voll Entrüstung.
    »Ach ja?« Bahafaa drehte sich im Kreis. »Wissen wir irgendetwas über ihn? Hat er unsere Fragen beantwortet - oder haben wir sie denn überhaupt gestellt?« Die Frauen blickten sie verständnislos an. »Er lebt nun seit fast einem halben Jahr unter uns. Wir liefern ihm unsere besten Felle. Wertvolle Steine. Schätze, die uns unsere Vorfahren überantwortet haben, damit sie von Generation zu Generation weitergereicht werden. Hermon lehrt uns im Gegenzug Dinge, die bis vor seiner Ankunft keinerlei Bedeutung hatten. Und er verkauft uns billigen Tand, der unseren Verstand blendet.«
    »Das ist nicht wahr!«, empörte sich Brythuula. Sie sprang auf, die Hände in die Hüften gestemmt. »Du bist doch nur neidisch, weil er dich völlig außer acht lässt!«
    Gemurmel wurde laut und lauter. Die Kriegerinnen bezogen Position - gegen Bahafaa. Immer lauter wurde die Unruhe, immer mehr Wut zeigte sich in den Gesichtern der Frauen.
    »Habt ihr denn schon einmal versucht, ihn zu belauschen ?«, fragte sie. »Wisst ihr, ob Hermons Taten mit seinen Gedanken übereinstimmen? Sagt er denn die Wahrheit?«
    Die Kriegerinnen blickten sich gegenseitig an. Sie wirkten verwirrt. So, als erwachten sie aus einer tiefen Trance - um gleich darauf wieder darin zu versinken.
    »Es ist besser, wenn du dich nun zurückziehst«, sagte Lusaana.
    »Aber…«
    »Du bist die Tochter einer hochgeschätzten Kameradin«, rief die Königin. »Deine Mutter Touflaa kämpfte tapfer an meiner Seite, und ich liebte sie wie eine Schwester. Nur

Weitere Kostenlose Bücher