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263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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ihrem Angedenken hast du es zu verdanken, dass ich deine Nähe am Lagerfeuer des Mondtages dulde.« Lusaana redete sich in Rage. Die Schamanin Juneeda fiel ihr besänftigend in die Arme; die Königin schubste sie mit einer einzigen Körperbewegung beiseite. »Du riechst nach Problemen, dein Anblick bereitet mir Kopfschmerzen. Ich weiß nicht, welch bösen Scherz die Götter mit dir trieben, dass sie dich so werden ließen, wie du bist. Deine Gedanken sind hässlich und Ekel erregend wie die eines Lokiraa.« Lusaana stampfte mit einem Bein auf. »Scher dich weg von hier! Du hast in unserer Mitte nichts mehr verloren!«
    Bahafaa wollte widersprechen, wollte ihren Standpunkt verteidigen. Als Kriegerin besaß sie das Recht, zu zeremoniellen Anlässen am Lagerfeuer zu sitzen.
    Sie blickte in wütende oder verschlossene Gesichter. Da und dort erkannte sie Zweifel; ältere Frauen waren über ihre Worte nachdenklich geworden und reagierten nun irritiert auf das Verhalten der Königin. Doch sie waren zu wenige und sie wirkten zu unentschlossen. Man würde Bahafaa vom Lagerfeuer wegprügeln, wenn sie es wagte, noch einmal den Mund aufzumachen.
    Sie drehte sich um und verließ den Kreis der Kriegerinnen. Ihr Herz war schwer. Sie hatte viel riskiert, und sie hatte alles verloren. Was auch immer Hermon vorhatte - die Macht des Reisenden manifestierte sich immer stärker, immer bedrohlicher. Etwas lief grässlich falsch im Reich der Dreizehn Inseln.
    ***
    So lange sich Bahafaa zurückerinnern konnte, hatte es keinen so schönen und friedlichen Sommer gegeben. Das Gras war saftig und grün, die Früchte der Erde so wohlschmeckend wie niemals zuvor. Zwerglischetten ohne Zahl flatterten über die Wiesen und Weiden, die Grunzer feister Wisaaun hallten aus allen Winkeln der sorgsam gehüteten Jagdwälder wider. Salmaans, die normalerweise die tiefen Gewässer weit draußen im Ozean bevorzugten, ließen sich in Küstennähe mit Käschern und wenigen Brotkrumen fangen, kein einziger Izeekepir suchte den Kampf.
    Die Kriegerinnen feierten Hermon als Glücksbringer. Mit ihm kam Wohlstand in die kleinsten Hütten; wo auch immer er auftauchte, wurde er gefeiert und angehimmelt.
    Umso trauriger waren sie, als der Händler kurz vor dem längsten Tag des Jahres ankündigte, das Dorf für eine Weile verlassen zu müssen. Ein Großteil der Waren blieb in seiner Hütte zurück. Mit dem weitaus geringeren Anteil belud Hermon ein Boot, das er den Fischern von Kalskroona abgekauft hatte, um mit Hilfe zweier erfahrener Seeleute die großen Inseln im Westen aufzusuchen. Um neue Handelsbeziehungen zu eröffnen, wie er sagte.
    »Ich möchte keine Abschiedstränen sehen, meine Hübschen!«, rief Hermon über die Köpfe der am Hafenpier versammelten Kriegerinnen hinweg. »Ich kehre gewiss bald wieder, und dann werde ich Schätze mit mir führen, die eure Augen zum Glänzen bringen.«
    »Wann wird das sein?«, fragte Königin Lusaana. Ihre Lippen glänzten, wie Bahafaa konsterniert feststellte, und auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken.
    »Noch bevor die Tage kalt werden.« Er umfasste Brythuula, seine derzeitige Favoritin, an der Hüfte. »Und da ich dieses bezaubernde Geschöpf mit auf die Reise nehme, werde ich die Schönheiten der Dreizehn Inseln stets in Erinnerung behalten.«
    Brythuula würde ihn begleiten? Ausgerechnet jene Kriegerin, die das Wasser fürchtete wie der Izeekepir das Feuer?
    Die junge Kriegerin lächelte arrogant in die Menge, aber auch unsicher. Ein Rest von Angst war ihr geblieben - oder war da noch mehr, vor dem sie sich fürchtete?
    Bahafaa wartete, bis Hermon das Kommando zum Aufbruch gab. Die beiden Fischer Kalskroonas, die er angeheuert hatte, kamen zögerlich aus der Kajüte hoch an Deck und setzten die Segel, stets mit furchtsamen Seitenblicken auf die Kriegerinnen der Dreizehn Inseln. Sie kappten die Taue und stießen das Boot in die Strömung hinaus.
    Der Händler hob seinen Arm und winkte, und die zurückgebliebenen Frauen sandten ihm halbherzige Glückwünsche hinterher. Jede von ihnen, so ahnte Bahafaa, wäre gerne an Brythuulas Stelle gewesen.
    Sie selbst mit eingeschlossen.
    6.
    Grao'sil'aana hielt seine stumpfe Echsenschnauze in den Wind, während Thgáan über Inseln und Festland flog und schließlich ansetzte, die unendliche Weite des blauen Ozeans zu überqueren.
    Die Welt der Menschen war so ganz anders als seine vor Äonen untergegangene Heimat. Sie strahlte Kälte aus. Er hasste das Licht der gelben Sonne,

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