Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
263 - Von Menschen und Echsen

263 - Von Menschen und Echsen

Titel: 263 - Von Menschen und Echsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
gewesen, jedermann hatte seinen Platz in seiner symbiotischen Einheit gekannt und wäre niemals auf den Gedanken gekommen, etwas anderes sein zu wollen, als es seine Bestimmung war…
    Wie kam es, dass eine ehemalige Kriegerin, eine furchtlose Frau sesshaft geworden war, Kinder geboren und mit dem Aufzucht und Handel von Tierprodukten ihr Auskommen gefunden hatte?
    Er fragte Silesiaa, sie lächelte.
    »Weil ich müde wurde. Weil mich Jüngere meine Schwächen spüren ließen. Und weil ich einen Mann gefunden hatte, der für die Vaterrolle bereit war.«
    »Was ist aus ihm geworden?«, fragte Grao.
    »Nach einer Weile wurde ich seiner überdrüssig. Er verließ mich und lebt nun auf einer der nördlichen Inseln von der Fischzucht.« Sie kicherte jungmädchenhaft. »Ich habe mir sagen lassen, dass er sich nicht gerade verbessert hat. Seine jetzige Partnerin nimmt ihn ganz schön her.«
    Sie erreichten das Ende der Händlerzeile. Ein riesiger Stand bildete den Abschluss, bevor offenes Land begann. Keinerlei Waren lagen hier bereit, einige Frauen lungerten in der Nähe umherund hängten ihre Nasen traurig in große Holzbecher.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Grao.
    »Diese unverbesserlichen Optimistinnen hofften, dass Hermon rechtzeitig vor dem Markttag zurückkehren würde. Sie haben seinen Stand aufgebaut und ertränken nun ihre Enttäuschung in Hochprozentigem.« Sie deutete auf einen mannslangen Schlauch, aus dem milchige gegärte Flüssigkeit quoll.
    »Wer ist Hermon?«
    »Ein Händler«, meinte Silesiaa kurz angebunden.
    »Und er ist besonders beliebt?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    Täuschte er sich, oder klang da ein sehnsüchtiger Unterton in den Worten der Frau durch?
    Doch was ging es ihn an? Er war auf der Suche nach Maddrax und nach Rache. Die Verirrungen der Menschen zwischen Sehnsucht, Liebe und Schmerz konnten ihm einerlei sein.
    Sie schlenderten zum eigenen Marktstand zurück. Zu Silesiaas Zufriedenheit liefen die Geschäfte gut. Das Jahr würde einen guten Ausklang finden, die Wintermonate würden im Haus der alten Kriegerin keinesfalls so karg wie in den letzten Jahren sein.
    Grao schüttelte den Kopf, als könnte er so die vielen seltsamen Gedanken loswerden. Was interessierte es ihn, wie Silesiaa ihren Lebensabend bestritt? Diese Insel war lediglich eine Zwischenstation auf seiner Suche. Eine Station, die er möglichst bald hinter sich lassen wollte. Kein einziges Mal waren bislang Aruulas oder Maddrax' Name gefallen. Hier vergeudete er bloß Zeit.
    Sie verließen Markt und Dorf Richtung Osten. Es ging einen ausgetretenen Pfad entlang, hin zu zwei etwas abseits stehenden Hütten.
    »Hier wohnt Hermon«, sagte Silesiaa, und diesmal war der zuckersüße Unterton in ihrer Stimme nicht zu überhören.
    »Und im anderen Haus?«, fragte Grao konsterniert. Warum irritierte es ihn, wenn die Frau Sehnsucht nach dem Händler durchklingen ließ?
    Silesiaa winkte ungeduldig ab. »Bahafaa ist es nicht wert, auch nur ein Wort über sie zu verlieren.«
    »Warum? So weit ich eure Gebräuche kenne, schließt ihr niemanden aus eurer Gemeinschaft aus. Weder die Kranken, noch die Verrückten.«
    »Bahafaa ist… anders.« Sie kräuselte die Stirn. »Niemand will etwas mit ihr zu tun haben. Es ist, als klebte Orguudoos Kot an ihren Füßen.«
    Grao dachte an Ora'sol'guudo, den ehemaligen Anführer seines Volkes, der jene symbiotische Einheit, zu der auch er einstmals gehört hatte, mit kaum glaublicher Präzision und Eleganz geleitet hatte. Sein Name war von den Menschen verballhornt worden und in ihren Wortschatz übergegangen. Orguudoo galt den Menschen als Symbol für alles Schlechte. Für Willfährigkeit, Hinterlist und Bösartigkeit.
    Ich schweife schon wieder ab , ärgerte sich Grao. In mancherlei Beziehung beginne ich wie ein Mensch zu denken und meine eigentliche Aufgabe zu vergessen. Ich darf mein Ziel niemals aus den Augen verlieren!
    Das Verhalten der Menschen war ansteckend. Er musste sich in acht nehmen, wollte er sich nicht vollends in dieser Welt voll Emotionen und Unlogik verlieren.
    »Da ist sie«, flüsterte Silesiaa. »Bahafaa.«
    »Sie sieht völlig normal aus.«
    »Das denkst du .« Sie spuckte verächtlich aus. »Rede ruhig mit ihr; du wirst bald merken, was ich meine.«
    Neugierde war eine weitere dieser schrecklichen menschlichen Unarten. Sie widmete sich nicht nur den ergebnisorientierten Fakten, nein. Wie ein Geist tauchte sie in den ungeeignetsten Momenten auf und zwang die Barbaren,

Weitere Kostenlose Bücher