263 - Von Menschen und Echsen
sich für sinnlose Dinge zu interessieren und ins Blaue hinein zu spekulieren. Und nun machte sich dieser Drang auch in ihm breit! Er wollte wissen, was es mit dieser Bahafaa auf sich hatte.
Grao ließ Silesiaa zurück und schlenderte zu der untersetzten Menschenfrau. Sie blinzelte, senkte den Blick, als sie ihn kommen sah, und tat ein paar Schritte rückwärts, hin zum Schatten, den der Vorbau ihrer Hütte warf.
»Geh!«, forderte sie ihn auf und presste ihren Rücken gegen einen der Stützbohlen des Verandadaches.
»Ich will dir nichts Böses«, sagte Grao vorsichtig. Er blieb in einem Abstand von wenigen Schritten zu ihr stehen. »Ich bin Groom. Silesiaa sagte mir, dass du ein wenig… seltsam seist. Ich wollte wissen, ob es stimmt.«
Bahafaa riss verblüfft die Augen auf. »Von Takt hältst du wohl nicht besonders viel?«
»Ich rede ungern um den heißen Brei herum.« Zwei Schritte noch, dann hatte er sie erreicht. Die Frau, Anfang oder Mitte zwanzig, wirkte verschreckt und eingeschüchtert. Er sah ihr an, dass sie schlechte Erfahrungen mit ihren Mitmenschen gemacht hatte. »Wollen wir reden?«
»Wozu?« Bahafaa machte eine abwehrende Bewegung. »Du bist genau wie alle anderen. Ein paar Minuten in meiner Gegenwart, und du wirst mich mit Missachtung strafen.«
»Dann lass uns die Zeit totschlagen, bis es so weit ist. Reden wir.« Seltsam. Die Menschenfrau interessierte ihn wirklich . Sie hatte etwas an sich, das sie von ihren Artgenossinnen abhob. Etwas, das ihn reizte.
»Also schön… Groom.« Bahafaa setzte sich auf den Fuß der Veranda. Ihre Blicke wirkten lebhaft, der Körper war angespannt. So, als wäre sie bereit, jederzeit aufzuspringen und davonzulaufen. »Was möchtest du von mir wissen?«
Einer Eingebung folgend, fragte Grao: »Was hältst du von deinem Nachbarn? Von Hermon.«
»Er ist ein Blender!«, tönte sie. Zu rasch und zu impulsiv. »Er bezirzt alle Frauen, um sie für seine Zwecke einzuspannen.«
»Bislang habe ich nur Gutes über den Händler gehört.«
»Weil er alle im Dorf und auf den Inseln blind macht«, ereiferte sich Bahafaa. »Sie sehen nicht, weil sie nicht sehen wollen!«
Nach menschlichem Ermessen war Bahafaa weder attraktiv, noch erschien ihre Art als »nett«. Das pickelige Gesicht legte sich in Falten, wenn sie, wie jetzt, aus sich herausging und in Wut geriet. Ein Speckring schwabbelte um ihre Leibesmitte, die breiten Füße waren nach außen gedreht, sodass sie an watschelndes Federvieh erinnerte. Dennoch…
»Bring mir Argumente, um mich zu überzeugen«, verlangte Grao. »Was ist es, das dir an Hermon nicht passt?«
»Es lässt sich nicht in Worte fassen. Ich verlasse mich auf mein Gefühl.« Bahafaa stand auf. »Und warum sollte ich dieses Thema mit einem Fremden diskutieren?«
»Weil ich dich im Gegensatz zu den anderen Inselbewohnern keinesfalls als abstoßend empfinde.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Wirklich nicht? Du spürst gar nichts ?«
»Nein. Ich finde dich… nett.«
Es war eine Zwecklüge. Grao empfand ihr gegenüber ein gewisses Interesse, doch er würde sich niemals gestatten, sinnentleerte Emotionen wie Sympathie oder gar Liebe zu entwickeln.
»Kommst du, Groom?«, hörte er Silesiaas ungeduldig klingende Stimme hinter sich. »Wir müssen zurück zum Markt. Die Mittagsstunde naht. Wir sollten unsere Sachen zusammenpacken und die Rückfahrt antreten.«
»Geh schon vor!«, rief Grao über die Schulter, ohne seine Blicke von Bahafaa zu lassen. »Ich komme gleich nach.«
»Was glaubst du, wer du bist?« Die ehemalige Kriegerin kam herangestürmt. Sie packte ihn an der Schulter, stieß Bahafaa achtlos beiseite und drehte ihn zu sich. »Augenblicklich kommst du mit mir und erfüllst deine Pflichten! Das wäre ja noch schöner, wenn ein Mann bestimmt, was zu tun und zu lassen ist!«
»Du irrst, wenn du meinst, über mich verfügen zu können, Silesiaa.« Grao starrte sie an. Intensiv, durchdringend. Für einen Augenblick ließ er sie ahnen, wozu er fähig war und welcher Art das Feuer war, das in ihm brannte.
Es reichte, ihr einen Hauch seines Wesens zu zeigen. Silesiaa schreckte zurück und wäre beinahe rücklings über die Verandatreppe gestürzt. Sie fing sich, ohne ihre Blicke von ihm zu lassen. Endlich drehte sie um und lief davon, als wären Dämonen hinter ihr her. Sie würde erst stehen bleiben, wenn sie den Dorf- und Marktplatz erreicht hatte, und sie würde niemandem auch nur ein Wort von dem verraten, das soeben vor sich gegangen
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