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264 - Verschollen

264 - Verschollen

Titel: 264 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn und Jo Zybell
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seinem Gesicht. So, als sei er nervös. Dabei war Ann sich sicher, dass er sie durchschaut hatte und längst wusste, dass Pieroo nicht zu Hause war. Vielleicht überlegte er auch, was er mit ihr anstellen sollte. Bei diesem Gedanken wurde ihr ganz heiß. Unsicher schaute sie sich nach dem Schwarzen um.
    Nur wenige Schritte entfernt kauerte das treulose Tier auf der Erde und verschlang den letzten Bissen seines verbotenen Mahls. Von ihm war wohl keine Hilfe zu erwarten. Als ob der Hund ihre Gedanken erraten hätte, hob er den großen Schädel. Doch sein Blick glitt über Ann hinweg in Richtung Dorf. Einen Augenblick lang reckte er die Nase in die Luft. Dann sprang er auf, legte die Ohren an und kniff den Schwanz ein. Mit gesträubtem Nackenfell und zitternd wie Espenlaub stieß er ein langgezogenes Jaulen aus.
    Fast gleichzeitig erklangen wie ein Echo aus allen Richtungen Tierlaute. Auf dem Hof brüllten die Wakudas, kläfften die Hirtenhunde und gackerten Hühner. Aus dem Waldhang in Anns Rücken krächzten aufgescheuchte Vögel und fiepten Nager. Und von der Koppel war das jämmerliche Blöken der Schafe zu hören. Das plötzliche Geschrei der Tiere war so unheimlich, dass Ann sich an Fletschers Seite flüchtete. Sie klammerte sich an seinen Mantel und starrte ängstlich in sein bärtiges Gesicht. »Was ist das?«, rief sie mit erstickter Stimme.
    Auch Fletscher schien Angst zu haben. Die schmalen Lippen unter dem struppigen Bart bebten und seine Augen waren groß wie Untertassen. Panisch blickte er abwechselnd von dem Schwarzen hinüber zum Dorf. »Piraten… Sie kommen durch das Südtor… Jenny…«, hörte das Mädchen ihn stammeln. Ihr Herz krampfte sich zusammen bei seinen Worten. Piraten? Jenny? War ihre Mutter in Gefahr? Doch bevor sie nachfragen konnte, verstummte auf einmal der Lärm um sie herum. Totenstille legte sich über der Weide. Selbst der Wind war nicht mehr zu hören. Die plötzliche Ruhe war noch unheimlicher als der Lärm kurz zuvor. Es war, als ob sie alles Lebendige verschlucken wollte.
    Doch nur einen Atemzug später brach ein ohrenbetäubendes Tosen aus. Der Wind schwoll zu einem Orkan an und sein Heulen brüllte in Anns Ohren. Böen peitschten über die Weide. Der Himmel schien sich zu verfinstern und hinter der Koppel glitten dunkle Schatten durch das Südtor und bewegten sich auf Anns Zuhause zu.
    »Mum!« Obwohl sie am ganzen Körper zitterte, obwohl Angst und Verzweiflung ihr die Brust zuschnürten, ließ Ann Fletscher los. Sie wollte zu ihrer Mutter. So schnell sie ihre kleinen Füße gegen den Sturm tragen konnten, rannte sie über die Weide. Herumfliegende Grassoden und Astwerk streiften ihr Gesicht. Sie stolperte und fiel. »Mum!« Schluchzend kam sie wieder auf die Beine. Aus der Ferne hörte sie Schreie und in ihrem Rücken Fletschers Stimme. »Bleib stehen!« Doch Ann wollte nicht stehen bleiben. Auch wenn ihr Blick tränenverhangen war, meinte sie die schwarzen Schatten schon bei ihrem Haus zu sehen. »Mum«, keuchte sie.
    Dann legten sich zwei kräftige Arme um ihre Brust und sie wurde hochgehoben. »Still«, raunte Fletscher ihr warnend ins Ohr. Ohne auf ihren Protest zu achten, machte er kehrt. Er rannte in Richtung Brabeelenhecke. Das Mädchen versuchte sich vergeblich aus seinem Griff zu lösen. Wie ein Schraubstock umklammerte sein Arm ihren kleinen Körper, und als sie nicht aufhören wollte zu schreien, presste er seine große Hand auf ihren Mund. Erst als sie den abschüssigen Pfad hinter sich gelassen und den Waldsaum erreicht hatten, lockerte er seinen Griff.
    Ann fehlte inzwischen die Kraft, sich zu wehren. In ihrer Brust fühlte sich alles ganz taub an und ihre Glieder waren schwer wie Steine. Als sie über Fletschers Schulter zurückblickte, sah sie in der Ferne die Dächer von Corkaich. Rauch kräuselte sich aus den Schornsteinen der vertrauten Häuser, als wäre nichts geschehen. Und aus dem grauen Himmel darüber rieselten die ersten Schneeflocken zur Erde.
    ***
    Stunden darauf
    Fletscher schreckte aus dem Halbschlaf hoch. Mit einem Knüppel über den Knien lehnte er an der Felsenwand fünf Schritte neben dem Höhleneingang. Draußen war es noch stockfinster. Angespannt lauschte er, doch er hörte nichts Ungewöhnliches. Nur das Heulen des Windes. Offensichtlich hatte der Sturm in den letzten Stunden wieder zugenommen.
    Müde strich er sich über das Gesicht. Sein Kreuz schmerzte und er war immer noch ganz betäubt von dem grauenhaften Vorfall in Corkaich. Er

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