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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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die Augen zu schließen. Es war, als ginge ein Sog davon aus. Eine unwiderstehliche Anziehungskraft, die an ihm zerrte, als hätte er sich bei seinem Besuch im Strahl und im Jumbo-Jet damit… infiziert.
    Ich will das nicht!
    Es war die Wahrheit. Er spürte die Gefahr, die mit der wachsenden Verlockung, dem immer lauter werdenden lautlosen Ruf einherging.
    Aber er hatte längst keine Wahl mehr. Die Sucht war geweckt - mit unabsehbaren Folgen…
    ***
    12. April 2526, Raumschiff CARTER IV
    Aruula schmiegte sich an ihren Geliebten. An den wirklichen Maddrax, nicht an die Illusion seiner selbst wie in den letzten Wochen. »Ich habe geträumt«, sagte sie.
    Er fasste zärtlich nach ihrem Kinn und hob es an, bis er in ihre braunen Augen mit den grünen Einsprengseln blicken konnte. »Verwechselst du da nicht etwas?«, fragte er schmunzelnd. » Ich habe geträumt. Du warst nur Bestandteil meines Traums.«
    Sie machte sich von ihm los. »Nein, im Ernst, Maddrax. Kurz bevor du aufgewacht bist, hatte ich einen… einen bösen Traum. Deswegen habe ich auch geschrien.«
    Maddrax setzte sich mit einem Ächzen weiter auf. Seit gestern absolvierte er ein strenges Trainingsprogramm, um seine Muskeln wieder aufzubauen. Die geringere Schwerkraft des Mars würde ihm dabei helfen, bei seiner Ankunft nicht gleich zusammenzuklappen, aber große Sprünge konnte er nicht machen. Im Laufe des Tages durfte er aus der Krankenstation in ihr gemeinsames Quartier umziehen, und schon morgen erreichten sie den Mars und würden in eine Umlaufbahn um den Mond Phobos eintreten. Von dort waren es nur noch knapp 10.000 Kilometer bis zum Mars.
    »Was war das für ein Traum?«, fragte er.
    »Alle waren tot.«
    »Wen meinst du?« Er sah ihr zu, wie sie von seinem Bett rutschte und ihre Bordkleidung überstreifte.
    »Alle. Hier.« Aruula machte eine Handbewegung, die das ganze Schiff einschloss.
    »Ich auch?« Er zog beide Augenbrauen nach oben, offenbar nicht darauf vorbereitet, dass sie es bejahen könnte.
    »Du warst der Toteste von allen«, sagte sie. Sie wusste, dass sie ihn damit ins Grübeln bringen würde.
    »Toter als tot?« Er grinste. »Ich wusste nicht, dass es Abstufungen von ›tot‹ gibt.«
    Sie wandte sich von ihm ab. »Du nimmst mich nicht ernst, Maddrax. Wir reden, wenn du dazu bereit bist.« Damit setzte sie sich in Bewegung, Richtung Tür.
    »Hey, was ist denn jetzt los?«, rief er ihr hinterher. »Komm zurück! Wenn du willst, reden wir - jetzt gleich!«
    Doch da war Aruula bereits auf den Gang geschlüpft.
    Matts kleiner Scherz war nicht der Grund, dass sie aus dem Krankenzimmer floh. Sie hatte gemerkt, dass sie selbst noch nicht bereit war, über die Vision von Krahac zu reden. Weil es in ihrer Glaubenswelt keine unnützen Visionen gab.
    Der Gang nahm sie auf. Für einen Moment erwartete sie, Clarice oder eine der anderen Leichen aus ihrem Traum zu sehen. Aber schon das Licht war heller und unterschied sich somit drastisch von ihrer in düstersten Farben gemalten Fantasie. Unwillkürlich atmete sie auf.
    Dann sah sie Vogler um eine Ecke biegen. Der schlanke, hochgeschossene Marsianer gehörte zu den Wenigen an Bord, die in ihr und Matt keine Erdbarbaren sahen. Obwohl sie genau genommen eine Barbarin war . Aber auch hier gab es Abstufungen.
    »Hallo Aruula!«, begrüßte Vogler sie. »Alles klar mit dir und Matt?«
    Sie nickte - und wechselte rasch das Thema: »Wo willst du hin? Kann ich dich begleiten?«
    Für einen Moment war der Waldmann irritiert, dann lächelte er. »Aber klar. Ich wollte nach Hi'schi schauen. Wenn wir morgen von Bord gehen, werden wir ihn in seinem Kryo-Sarg mitnehmen.«
    »Ein Sarg?«, entfuhr es Aruula.
    »Kein wirklicher Sarg«, beruhigte Vogler sie. »Man nennt ihn nur so. Weil man im Kälteschlaf wie tot ist.«
    Rasch legten sie die kurze Strecke zum Labortrakt zurück. Vogler legte seine Hand auf eine spiegelnde Fläche und die Schleuse zum Sicherheitsbereich öffnete sich mit einem hohen, fast singenden Ton. Hinter dem freigegebenen Durchgang war es weniger hell als auf dem Gang. Aruulas Augen gewöhnten sich schnell daran. Während sie eintrat, streckte sie ihre telepathischen Fühler aus.
    Außer Voglers Bewusstsein - sie streifte seinen Geist nur -, empfing sie nichts.
    Als wäre es tatsächlich tot.
    Es.
    Der gläserne Behälter dominierte den vier mal vier Meter großen Raum. Kabel und Schläuche mündeten hinein. Das Echsenwesen im Kryo-Sarg war ein Drakulle namens Hi'schi. Auf der Erde hatte es

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