265 - Das letzte Tabu
Clarice und Vogler mit einer neuen Variante der Gestaltwandlung genarrt, die sowohl auf Parafähigkeit, als auch auf dem unterstützenden Einfluss von Pheromonen basierte.
Hi'schi hatte sich damit das Ticket erschleichen wollen, um die Insel, auf der er gestrandet war, verlassen zu können. Doch die Besatzung des Mondshuttles, das die beiden Marsianer abholen wollte, hatte den Schwindel mithilfe ihrer Scanner durchschaut.
Letztlich hatte man entschieden, den Drakullen mit zum Mond und später zum Mars zu nehmen, wo sich die marsianischen Wissenschafter seiner annehmen sollten. So lange aber war er auf Eis gelegt. Sozusagen.
»Was hat dich vorhin aus Matts Zimmer getrieben?«, fragte Vogler plötzlich. »Hast du dich nach anderer Gesellschaft gesehnt, nach all den Wochen mit ihm allein im Bunker?«
Aruula schrak zusammen. Hatte Vogler bemerkt, dass sie auf dem Gang in ihn gelauscht und sich ihm ganz bewusst angeschlossen hatte? Nein, sicher nicht.
»Du musst dringend an deiner Flirttechnik feilen«, erwiderte sie im Versuch, ebenfalls einen lässigen Ton anzuschlagen. »So wird das nichts.«
»Wirklich?« Er zuckte scheinbar resignierend die für Aruulas Geschmack viel zu schmalen Schultern.
Sie nickte abwesend. Ihr Blick glitt zu Hi'schi, was von Vogler weder unbemerkt noch unkommentiert blieb. Er verzog gespielt zerknirscht das Gesicht. »Sag jetzt nicht, dass sein Flirtrepertoire meinem überlegen wäre…«
Aruula ging nicht darauf ein, zumal sie mit dem Wort »Repertoire« nichts anfangen konnte. »Wie ist sein Zustand?«
»Unverändert. Wir erhalten seine Stasis aufrecht und tauen ihn erst wieder auf, wenn wir den Mars erreicht, und einen geeigneten Platz für ihn gefunden haben. Bei seinen Fähigkeiten wäre es zu riskant, ihn vorher aufzuwecken.«
Aruula trat vor ein Gerät, dessen Bildschirm lediglich eine wie mit dem Lineal gezogene Linie anzeigte. Und dann bewies sie, dass Tekknik längst kein Buch mit sieben Siegeln mehr für sie war. »Das zeigt an, wie sein Gehirn gerade arbeitet, ja?«
»Eine Nulllinie«, stimmte Vogler ihr zu. »Solange er im Kälteschlaf liegt, sehen wir nur das so genannte isoelektrische EEG. - Aber seit wann interessieren dich solche Dinge?«
Sie zögerte.
Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Es wirkte freundschaftlich, aufmunternd, überhaupt nicht plump vertraulich oder gar anzüglich. Aruula hatte Vogler zu schätzen gelernt. Sie gab sich einen Ruck. »Ich weiß, es ist dumm, aber…«
»Aber? Worum geht es? Du kannst mir alles sagen. Machst du dir Sorgen um Hi'schi?« Er wartete ihre Antwort nicht ab. »Wenn dem so ist, sind wir schon drei - willkommen im Club.«
»Drei?«, echote sie.
»Du, Clarice und ich«, sagte er. »Wie du weißt, sind Clarice und ich dem Drakullen bereits auf Iisboa begegnet. Im Grunde ist er unsere Entdeckung.«
»Und weiter?«
»Er mag Clarice entführt haben, aber wirklich brutal ging er dabei nicht zu Werke. Sie hätte sich nach einiger Zeit selbst befreien können. Durch seine Täuschung wollte er lediglich von der Insel wegkommen. Er ahnte nicht, dass wir ein Raumschiff erwarteten.«
»So aber fiel er deinen Leuten in die Hände und wurde zum Mond gebracht.«
Vogler nickte. »Du kannst dir vorstellen, dass die Wissenschaftler auf dem Mars ganz begierig darauf sind, seine besonderen Fähigkeiten zu erforschen. Fakt scheint aber zu sein, dass er es selbst gar nicht steuern kann, welches Trugbild er seinem Gegenüber vorgaukelt.«
Aruula blickte ihn an. »Was wird mit ihm, wenn er den Behörden übergeben wird?«
»Das weiß ich nicht. Aber die Geschichte ist leider voll von Beispielen, die vergleichbar sind mit dem, was auf Hi'schi zukommt. Weder Clarice noch ich oder du werden es verhindern können.«
Sie schwiegen einige Sekunden, starrten auf den Kryo-Sarg, in dem Hi'schi einer ungewissen Zukunft entgegen dämmerte.
»Ich hatte einen Albtraum«, sagte Aruula dann in das Schweigen hinein. »Er hatte mit dem Drakullen zu tun. - Nein, das ist nicht richtig. Ich war der Drakulle. Ich… ich glaube, ich durchlitt etwas, das er irgendwann einmal durchmachen musste, während seiner Gefangenschaft bei den Daa'muren. - Hältst du das für möglich?«
Vogler überlegte. Schließlich sagte er: »Du hast ausgeprägte telepathische Kräfte. Und er aller Wahrscheinlichkeit nach auch. Ich begreife jetzt, worauf du hinaus willst. Du meinst, er könnte… nun, im Traum mit dir in Kontakt getreten sein.« Vogler nickte. »War das deine
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