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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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jedem Kilometer, den der Schweber zurücklegte, weniger das Gefühl, neben Graulicht zu sitzen. Graulicht hatte nie so geredet, wie der Typ mit den schwarz umränderten Augen es die ganze Zeit tat. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Aber für einen Rückzieher war es zu spät. Da muss ich jetzt durch.
    Sie erreichten die Stelle, wo Lobsang das letzte Mal geparkt hatte. Von hier aus war es zu Fuß nicht mehr weit in das bewachte Areal, zu dem nur ausgesuchte Personen - Weltenwanderer beispielsweise - Zugang hatten.
    Graulicht verabschiedete sich fahrig. Als er wie trunken auf die Lichter zuwankte, die den Pfad markierten, war Lobsang noch einmal versucht, den ganzen Wahnsinn abzublasen.
    Aber dann ließ er den Freund doch ziehen, sah tatenlos zu, wie er mit flatterndem Umhang in der uralten Anlage verschwand - als würde sie sich ihn für immer einverleiben.
    Lobsang schauderte.
    ***
    Graulicht schauderte.
    Aber es war Erregung, kaum noch bezähmbare Vorfreude, die ihn erbeben ließ. Lobsang und das Fahrzeug blieben hinter ihm zurück. Die wenigen Kontrollen waren rasch passiert. Die Tätowierung unter dem rechten Ohransatz war mehr als bloßer Körperschmuck. Bei den Waldleuten signalisierte es jedem, dass er die Weihe zum Weltenwanderer erfahren hatte und nun zu denen gehörte, die der Gemeinschaft dadurch dienten, dass sie durch den Strahl bis hin zur Erdoberfläche reisten. Als Chronisten und neutrale Beobachter, die stets im Hintergrund blieben, aber von allen geachtet wurden ob ihres seltenen Talents.
    Den Städtern und damit dem hier stationierten Wachpersonal reichte der bloße Augenschein nicht. Es gab eine klare Anweisung der Regierung, dass Weltenwanderern ein mikroskopisch kleiner Chip unter ihr Tattoo gepflanzt werden musste, der es den Wächtern erlaubte, sie als befugt zu identifizieren.
    Graulicht hatte diese Prozedur - »Brandmarkung« nannten es kritische Stimmen unter den Waldleuten - klaglos über sich ergehen lassen. Sie war weder schmerzhaft noch mit Nebenwirkungen behaftet. Der implantierte Ausweis war nicht spürbar, und er akzeptierte seine Notwendigkeit.
    Graulichts erschöpfter Zustand schien den Wächtern zu entgehen, und so erreichte er ungehindert die unmittelbare Nähe des Strahls. Hier ließ er sich nieder und tastete mit seinem Extrasinn nach der speziellen Aura des säulenartigen Korsetts, in dem die Zeit wie eine Gefangene gehalten wurde.
    Graulichts Umhang lag wie eine ledrige Schwinge um seinen Körper, als der Weltenwanderer ihn verließ und seinen Geist in den endlosen Strom einfädelte, der von hier aus bis zur Erde reichte.
    So weit wollte er jedoch nicht reisen. Sein Ziel lag näher, viel näher. Er spürte es, kaum dass er in den anderen Kosmos eintauchte. Und als würde sein innerstes Sehnen ihn navigieren, fand er traumwandlerisch sicher an Bord des Jumbojets.
     
    Irgendetwas war seit seinem letzten Besuch passiert.
    Die Frage war nur, ob mit ihr… oder mit ihm?
    Graulicht schob sich dicht an das Abbild der Frau heran, von der er - wie hatte sein Freund es schmerzhaft treffsicher genannt? - besessen war.
    Ob Lobsang etwas ahnt? Auszuschließen war es nicht. Allerdings hielt Graulicht es für zweifelhaft, dass Lobsang ihn hierher gefahren hätte, wenn er auch nur den leisesten Verdacht bezüglich Graulichts wahrer Absichten gehegt hätte.
    Doch war ihm selbst überhaupt in aller Konsequenz klar, was er vorhatte?
    Graulicht hatte das Ausmaß an Nervosität unterschätzt, das ihn nun, so kurz vor dem Bruch des letzten Tabus, zu überwältigen drohte. Noch einmal ging er kritisch mit sich ins Gericht, während der Blick seines geistigen Auges unablässig an ihr haftete. An der Erscheinung, die den Stein erst ins Rollen gebracht hatte. Nie hätte Graulicht sich träumen lassen, dass er einmal drauf und dran sein würde, das elementarste Gebot der Geistwanderer mit Füßen zu treten.
    Es stand in keinem der Gesetzestexte. Und doch wurde es allen neuen Wanderern von Beginn an eingeschärft: Erforsche den Strahl. Erfreue dich an allem, was du siehst, und erforsche es. Wenn nötig, nimm Dinge mit in die Wirklichkeit. Aber niemals - NIEMALS! - darfst du das Abbild eines lebenden Wesens mit dir nehmen! Niemand hat es je gewagt, und niemand wird es je tun. Denn den Dingen im Strahl wohnt keine Seele inne. Keiner kann ermessen, was geschieht, wenn ein Lebewesen ohne Seele in unsere Welt gelangt. Breche niemals dieses Tabu, denn die Gefahr ist unermesslich…
    Doch was würde mit

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