268 - Schritt in die Unsterblichkeit
Sogar der roboterhafte Israeli brüllte seine Erleichterung hinaus.
Die Yacht ging auf Südkurs. Mit etwa vier Knoten pro Stunde entfernte sie sich von der Stelle, an der das brennende Piratenschiff gesunken war.
Erschöpft, aber strahlend vor Glück traten Cleveland und Teller auf den Freiplatz des Oberdecks. Teller hatte Cognac und Gläser dabei. Sie stießen an und tranken. Fünf Cognacs kippte Biggy in sich hinein, um ihr schlechtes Gewissen zu betäuben. Sie hätten nach Norden fahren müssen; dorthin, wo das Piratenschiff gesunken war. Sie hätten nach Lara und Margot suchen müssen. Alle dachten daran, und keiner sprach es aus. Und alle waren froh, dass keiner es aussprach, denn nicht einer von ihnen wollte jemals wieder mit einem der Fischartigen zu tun haben. Als es dunkel wurde, hatten sie zwei Flaschen Cognac geleert.
Sechs Tage später ging das Trinkwasser zur Neige. Inzwischen war es Oktober. Teller baute die Entsalzungsanlage auf, die seine Yacht für den Notfall mit sich führte. Zwei Wochen später brauchten sie den letzten Proviant auf. Von nun an gab es Fisch, jeden Tag Fisch. Kapstadt war noch über zweitausend Seemeilen entfernt.
Anfang November verteilte der Professor die letzten Dosen Vitamin C. Mitte November gab die Entsalzungsanlage den Geist auf. Sie destillierten Meerwasser mit dem Labor, das sie mit sich führten, und reicherten es mit Mineralstoffen an. Doch das war nur eine Notlösung.
Mitte November ortete Nathanael eine Inselgruppe, die nicht in seinen Karten verzeichnet war. Ein Volltreffer, denn auf einer der Inseln wuchs dichter Wald. Dort musste es Quellen und Bäche und Früchte geben. Sie umkreisten die Insel und fanden eine kleine Bucht, einen natürlichen Hafen. Dort ankerten sie. Mit zwei Schlauchbooten gingen sie an Land.
Die Insel entpuppte sich als Paradies. Es gab Früchte und Wasser in Hülle und Fülle. Sie beschlossen, nicht nur ihre Vorräte hier aufzufüllen, sondern die Fotovoltaikanlage so gründlich zu reparieren, dass das Elektrotriebwerk der MOTHER NATURE wieder richtig funktionierte. Teller hoffte, noch vor dem Jahreswechsel nach Südafrika aufbrechen zu können.
Die Reparaturarbeiten erwiesen sich als komplizierter und langwieriger, als Teller erwartet hatte. Doch niemand beklagte sich, denn die Insel verwöhnte sie mit angenehmen Temperaturen, frischem Fleisch und Früchten. Auch als zum Jahresende das Triebwerk noch immer nicht so lief, wie die Weiterfahrt nach Kapstadt es erforderte, beschwerte sich keiner.
Während die Männer unten auf dem Schiff arbeiteten, lösten sich Isabelle und Biggy auf einem Hügel an der Küste ab, von dem aus sie den Meereshorizont beobachteten. Sie hofften, irgendwann ein Schiff zu entdecken. In manchen Stunden dort oben auf jenem Hügel fühlte Biggy sich wie Robinson Crusoe. Viel später, als ihr Leben sich schon dem Ende zuneigte, erschienen ihr die kurzen Texte, die sie in jener Zeit ihrem Tagebuch anvertraute, zuversichtlich und von Glück durchweht.
Einmal stieg statt Isabelle ein braungebrannter Mann mit nacktem Oberkörper und langem Grauhaar zu ihr herauf. Marc Teller brachte Früchte und Wasser. Er setzte sich neben sie und fing an zu plaudern. Er roch nach Meerwasser, und die Kämpfe und die Arbeit der vergangenen Wochen hatte seinen durchtrainierten Körper noch drahtiger und straffer gemacht. Irgendwann legte er den Arm um sie und sagte: »Man wird ja verrückt, wenn man ständig an die Vergangenheit denkt. Lass uns nach vorn schauen, Biggy. Wir haben noch eine Zukunft, wir beide, glaub mir das.«
Biggy hatte lange keinen Mann mehr gehabt, und sie hörte gern, was er sagte. Es war leicht, ihn zu verführen. Im Grunde hatte er seit langem darauf gewartet. Unter dem blauen Frühjahrshimmel der Südhalbkegel, zwischen den Palmen im hohen Gras, gab sie sich ihm hin. Und sie bereute es nie: Teller war ein fantastischer Liebhaber. Von diesem Tag an schlief sie regelmäßig mit ihm.
Anfang Februar 2012 waren die Reparaturarbeiten abgeschlossen. Das Elektrotriebwerk lief jetzt endlich so, wie Marc Teller sich das vorstellte. Gemeinsam mit Nathanael drehte er eine Proberunde um die Insel. Danach legten sie den übernächsten Tag für den Aufbruch nach Südafrika fest. Bis dahin lagerten sie Trinkwasser und Früchte ein und füllten die Tiefkühltruhe mit dem Fleisch von Waldhühnern und Wildkaninchen, die in großer Menge auf der paradiesischen Insel lebten.
In der Nacht vor dem Aufbruch schliefen sie unter
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