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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in diesem Ausbruch der Mutlosigkeit nicht zu stören, und machte mich daran, das kleine Gemach zu untersuchen. Zunächst bemerkte ich zu meiner Freude, daß die Luft eine verhältnismäßig erträgliche war. Die Fackel brannte zwar nicht ganz hell, aber doch so, daß ich sehen konnte. Von Stickluft war keine Rede; nur moderig, feucht roch es hier. Die Wände bestanden aus schwarzen Nilziegeln. Wie lange Zeit mochten sie überdauert haben! Sie hielten noch fest, und nur an einer Stelle schienen sie eingefallen zu sein; der darüber lagernde Sand war nachgestürzt. Oder sollte ich mich täuschen? Sollten sich an dieser Stelle überhaupt keine Steine befunden haben? Ich kniete mich nieder und untersuchte sie. Ich räumte mit der Hand den Sand weg; er war leicht und mehlig. Ich kam rechts an Mauerziegeln, links an Mauerziegeln, oben auch an Mauerziegeln; dazwischen aber gab es keine Mauer, sondern nur diesen leichten Sand. Hinter mir weinte Selim noch immer, aber nicht mehr laut; er seufzte und – – – was hatte er denn? Das klang ja so dumpf, so hohl, so ganz und gar eigentümlich! Ich drehte mich nach ihm um. Er saß mit vornüber gebeugtem Oberkörper da, hatte das Gesicht mit den beiden Händen bedeckt und schien ganz still zu sein.
    „War dieser Seufzer von dir, Selim?“ fragte ich ihn.
    „Von mir? Ein Seufzer? Wann denn?“
    „Soeben, in diesem Augenblick.“
    „Das war ich nicht. Du hast dich getäuscht.“
    „Nein; ich habe es ganz deutlich gehört.“
    „Und dennoch ist kein Irrtum möglich. Ich bin überzeugt, daß – – –“
    Ich hielt inne, denn der dumpfe Ton erklang jetzt abermals.
    „Hörst du es, hörst du es?“ fragte ich, nun freilich betroffen.
    „Ja, Effendi, ich habe es jetzt auch gehört, ganz deutlich gehört.“
    „Wo erklang es? Der dort in dem Loch, welches ich gegraben habe, nachrollende Sand kann es nicht sein.“
    „Nein; der Sand hat keine Stimme.“
    „Er hat eine, aber keine solche. Ich hörte ihn in stillen Nächten in der Wüste sehr oft klingen und singen, wenn er vom leisen Windhauch auf der einen Seite des Sandhügels hinauf und auf der andern wieder hinabgetrieben wurde. Das gibt ein metallisches Tönen, als ob Elfen und Gnomen mit winzigen goldenen Pokalen zusammenstießen. Dieser Ton hier aber ist ganz anders.“
    Eben als ich ausgesprochen hatte, ließ sich derselbe abermals hören, und nun wußte ich, woher er kam.
    „Er klingt da aus dem Schacht heraus!“ rief ich überrascht.
    „Richtig, sehr richtig!“ stimmte Selim bei, indem er entsetzt aufsprang und in die Ecke flüchtete.
    „Warum erschrickst du?“ fragte ich ihn. „Es sind Menschen in der Nähe.“
    „Menschen? Wie kann es hier Menschen geben! Das sind die Geister der Hölle, welche nach unsern Seelen lechzen.“
    „Schweig! Du bist ein Feigling!“
    „Ich, ein Feigling? Effendi, ich bin der Stärkste der Starken und der größte Held meines Stammes; aber gegen die Hölle kann selbst der Kühnste der Kühnen nicht kämpfen. Du hast mich an den Rand der Verdammnis geführt, und wenn derselbe einstürzt, so brechen wir durch die Oberfläche der Erde hinab in den Schlund, aus welchem in alle Ewigkeit kein Entkommen ist. O Allah, Allah, Allah!“
    „So bleib' meinetwegen hier und jammere; ich aber werde mich retten.“
    „Retten?“ fragte er rasch. „So helfe ich dir, ich helfe dir, Effendi!“
    „Nun gut, so laß das Klagen, und steige mit mir weiter hinab!“
    „Noch weiter? Bist du bei Sinnen!“
    „Ja, ich bin sehr wohl bei Sinnen. Da unter gibt es jemand, dem wir Hilfe bringen müssen.“
    „Das ist nicht ein Mensch, sondern es war das Stöhnen der Verdammten in der Hölle.“
    „Dummkopf! Der Mann befindet sich vielleicht schon dem Tod nahe, und wenn wir zögern, so stirbt er. Ich steige hinab. Tue, was du willst.“
    Ich hatte mich von ihm losgebunden, wand mir den Strick um den Leib und stieg in das Loch.
    „Effendi, du willst wirklich weiter?“ rief er aus. „Was soll mit mir geschehen?“
    „Bleib' meinetwegen hier.“
    „Nein, das tue ich nicht; ich bleibe nicht hier, so allein inmitten der Schrecken dieses schauerlichen Ortes. Ich komme, ich komme.“
    Jetzt beeilte er sich, mir zu folgen. Zwanzig Löcher stiegen wir hinab; dann hielt ich an, um zu lauschen. Ich vernahm nun deutlich eine menschliche Stimme nicht weit unter mir, sie rief:
    „Hilf mir, komme herab!“
    „Ich komme“, antwortete ich. „Ich werde gleich bei dir sein.“
    Ich hatte noch zehn

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