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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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diese Weise kann man wie auf einer festen, sicheren Leiter oder Treppe hinunter gelangen.“
    „Wie tief ist der Schacht?“
    „Nach zwanzig Löchern kommt man an zwei Seitenstollen, welche aber leer und auch sehr klein sind, dann noch dreißig Löcher, so gelangt man in den großen Haupteingang, in welchen wir eindringen werden.“
    „Wie weit sind die Löcher voneinander entfernt?“
    „Nicht ganz zwei Fuß. Das Steigen ist ganz bequem.“
    „Welche Luft gibt es unten?“
    „Sie ist fast so gut wie hier oben. Es muß da Luftlöcher geben, welche ich noch nicht gefunden habe. Vielleicht gelingt es deinem Scharfsinn, sie zu entdecken.“
    Er sagte das in seinem gewöhnlichen Ton, aber mit einem leisen Anklang, den ich jetzt nicht beachtete. Später erkannte ich, daß es Ironie gewesen war.
    „Sind die Steiglöcher zuverlässig?“ erkundigte ich mich weiter. „Der Schacht besteht jedenfalls auch aus Schlammziegeln, welche leicht bröckeln. Da könnte man den Halt verlieren und in die Tiefe stürzen.“
    „Das ist gar nicht möglich. Die Ziegel sind fest, und übrigens haben wir ja das Seil mit, an welches wir uns binden werden. Wer steigt voran?“
    „Ich nicht!“ antwortete Selim schnell.
    Wollte ich mich von dem Fakir, wenn er ja einen Verrat im Schilde führte, nicht übertölpeln lassen, so mußte er voransteigen. Ich sagte ihm daher, daß er als Führer den ersten machen müsse, und er ging auch ganz willig darauf ein. Auch das war, wie so manches andere vorher, geeignet, mich über ihn zu beruhigen.
    Also der Fakir voran; dann sollte Selim folgen, und ich wollte, als der stärkste von uns, den letzten machen. Wenn einer von den beiden ja abrutschte, so war ich derjenige, der ihn am Seil zu halten hatte. Das eine Ende desselben wurde also dem Alten unter den Armen hindurch auf der Brust gebunden; in der Mitte wurde Selim befestigt, und das andere Ende schlang ich mir um die Hüften, wo es durch einen Knoten sichern Halt bekam.
    Es war schwierig, Hände und Füße zum Steigen zu gebrauchen und dabei die brennende Fackel zu halten. Der Fakir kannte den Schacht; er brauchte also kein Licht. Selim durfte keins bekommen, weil er nicht zuverlässig war. Er brauchte seine Hände notwendig, um sich festzuhalten. So war ich es denn, welcher als der einzige eine Fackel zu tragen hatte.
    Nun kniete ich zunächst vor der Öffnung nieder, um mit der Hand hinabzulangen und die Steiglöcher zu untersuchen. Sie waren groß genug, um die Füße und Hände aufzunehmen, und ihre Kanten besaßen diejenige Härte, welche keine Besorgnis aufkommen ließ. Nun stieg der Fakir hinein und war bald verschwunden. Selim folgte langsamer, er konnte die Löcher nicht sehen und mußte mit den Händen und Fußspitzen nach ihnen tasten. Als ich seinen Kopf verschwinden sah, hörte ich ihn das Stoßgebet murmeln:
    „Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Gott; ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist!“
    Dann stieg auch ich hinein. Ich mußte mich auf die Füße und die rechte Hand verlassen, da ich in der linken die Fackel trug. Die ersten Schritte gingen sehr langsam abwärts; dann aber gewöhnte man sich bald in die Lage und Entfernung der Löcher, und es ging rascher. Gesprochen wurde nicht.
    Ich zählte die Schritte. Richtig nach zwanzig Löchern gab es vor und hinter mir je eine Stollenöffnung, an denen ich vorüberkam. Ich leuchtete im Passieren in das eine hinein, doch war das Licht zu matt, um die tiefe Finsternis durchdringen zu können. Nun noch dreißig Löcher abwärts bis zum Hauptgang. So dachte ich, weil der Fakir es gesagt hatte; aber es kam ganz anders. Ich war an den beiden Stollen vorüber und hielt mich eben mit der Rechten im vierten oder fünften Loch unterhalb derselben fest, als von oben herab ein Lachen erscholl, welches die engen Wände des Schachtes in grausiger Weise widerhallten. Es klang, als ob eine Schar von Teufeln lache. Dann hörte ich die Worte rufen: „So bringt man den Christenhund zum ewigen Schweigen. Verschmachte hier in der Tiefe, und erwache dann auf dem Grund der Hölle!“
    Ich blickte empor und sah zwei Gesichter, welche von dem Schein eines Lämpchens so beleuchtet wurden, daß ich sie erkannte. Der alte Fakir und der Muza'bir waren es. Nicht einen Augenblick die Geistesgegenwart verlierend, wußte ich sofort, um was es sich handelte: Wir sollten hier eingesperrt werden, um elend umzukommen. Da galt es ein schnelles Handeln; wir mußten augenblicklich wieder

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