27 - Im Lande des Mahdi I
nicht?“
„Nein. Dieser mußte wieder fort.“
„Wohin?“
„Das konnte ich nicht erfahren. Ich hörte nur einige heimliche Worte, aus denen ich schließe, daß er die Absicht hat, irgendeinen Sklavenhändler vor dem Raïs Effendina zu warnen.“
„So meinst du, daß er sich nicht mehr in Siut befindet?“
„Es ist möglich, daß er noch da ist, aber wahrscheinlich nicht.“
„Hm! Dir wurde also weisgemacht, daß sich hier das Grab eines Marabut befinde?“
„Ja. Warum sollte ich es bezweifeln? Der Fakir, welcher es sagte, ist ja selbst ein Heiliger!“
„Aber ein Heiliger, welcher lügt und mordet. Du hättest ihm nicht glauben sollen.“
„Verzeihe, Effendi! Hat er nicht auch einen Vorwand gehabt, unter welchem er dich hierher lockte?“
„Richtig! Ich bin nicht vorsichtiger gewesen als du und habe dieselben Vorwürfe verdient. Du hattest also den Ort, an welchem wir uns befinden, nie gesehen?“
„Nie.“
„Und kannst uns also keine Auskunft erteilen?“
„Nicht die geringste, Effendi.“
„Das ist schlimm! Wie ist es möglich, uns einen Weg zu bahnen?“
„Es gibt keinen. Ich habe gesucht und keinen gefunden.“
„Wie hast du suchen können? Du befandest dich doch wohl im Finstern?“
„O nein. Wenn man von oben aus zwanzig Schritte herabgestiegen ist, gibt es zwei Seitengänge –“
„Ich kenne diese beiden Stollen“, fiel ich ein. „Sie können aber nicht weit führen.“
„Vielleicht führen sie ins Freie und die Ausgänge sind mit Sand verschüttet; ich weiß es nicht. Aber man geleitete mich in den einen. Da lagen eine dicke Steinplatte und viele Stein, und da standen auch Tonlampen, mit Öl gefüllt. Es wurden einige angebrannt; ich nahm mir eine und stieg voran. Kaum war ich einige Stufen abwärts gekommen, so rief man mir nach, daß ich hier sterben müsse, weil ich sonst vielleicht verraten könne, daß der fremde Effendi getötet werden soll.“
„Armer Teufel! So hast du also meinetwegen leiden müssen!“
„Gelitten habe ich freilich, Effendi. Ich glaubte zunächst, man mache Scherz mit mir. Als man aber den Brunnen mit der Platte und den Steinen bedeckte, sah ich ein, daß es Ernst sei. Ich rief; ich bat und flehte – vergebens. Ich erkannte, daß nach oben keine Rettung möglich sei, und stieg also weiter hinab. Ich untersuchte den ganzen Schacht, auch hier diese Brunnenkammer, und habe nicht eine einzige Stelle gefunden, welche hoffen läßt, daß sich ein Ausgang da befindet. Dann verlöschte die Lampe. Dort liegen die Scherben in der Ecke. Auch ich begann zu verlöschen. Ich bin in diesen Tagen im Finstern hundertmal herauf- und wieder herabgeklettert; endlich konnte ich nicht mehr. Der Ausgang war und blieb verschlossen. Ich glaube, daß ich dem Wahnsinn nahe gewesen bin. Ich habe gebrüllt und getobt, wie ein Verrückter, bis ich nicht mehr konnte und hier liegen blieb.“
„Wie kannst du denn wissen, daß du dich vier Tage hier befunden hast?“
„Ich habe eine Uhr, diese hier. Ein alter Matrose schenkte sie mir in Alexandrien.“
Er zog eine alte, sonnenblumengroße, dreigehäusige Spindeluhr aus der Hosentasche, zeigte sie mir und fuhr fort:
„Ich habe tausendmal nach den Zeigern gefühlt. Schon klang mir der Tod in den Ohren, da hörte ich euch über mir. Ich wollte hinauf, war aber zu schwach dazu. Habt ihr mich gehört?“
„Ja, wir hörten dich. Sprich jetzt nicht weiter, du bist zu schwach. Setzt dich nieder und ruhe. Ich werde einmal suchen.“
„Du wirst nichts finden“, erklärte er, indem er sich wieder niedersetzte.
„Auch ich bin überzeugt, daß wenigstens hier die Nachforschung vergeblich ist. Wir befinden uns weit unter der Grundfläche des Hügels, und so glaube ich nicht, daß es von hier einen Gang gibt. Aber einen Ausweg müssen wir finden, und wenn wir ihn uns selbst graben sollten.“
„Das würde wochenlang dauern, und inzwischen sind wir gestorben!“
„Mir ist es ganz und gar nicht wie sterben; ich habe ganz im Gegenteil das Gefühl, als ob wir sehr bald wieder an das Tageslicht kommen würden.“
„O Effendi, hättest du doch recht!“ klagte Selim. „Meine Nerven sind zerrissen, und all meine Hoffnung ist tot. Wir müssen hier sterben und verderben. Warum hat Allah gerade mir dieses Kismet vorgezeichnet!“
„Was jammerst du?“ fragte Ben Nil. „Du hast dich vorhin den größten Helden deines Stammes genannt. Wenn du das bist, so scheint derselbe aus lauter Weibern zu bestehen.“
„Beleidige
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