27 - Im Lande des Mahdi I
obgleich es euch gleichgültig sein kann, wer derjenige ist, den ich töten sollte.“
„Das kann mir nicht gleichgültig sein, denn ich nehme erstens teil an dir, und zweitens muß es mir lieb sein, über die Absichten meiner Feinde etwas Näheres zu erfahren. Also sage, wer er ist!“
„Er ist ein Fremder, ein Christ aus Alemanja. Ein gelehrter Effendi, der sich gegen die heilige Kadirine vergangen hat.“
„Gehörst du zur Kadirine?“
„Ich bin einer der geringsten unter ihren Dienern.“
„Und hast doch nicht gehorcht!“
„Ich bin ein ehrlicher Mann und morde nicht. Nur im Fall eines Krieges, einer Blutrache oder einer schweren Beleidigung würde ich meinen Gegner töten. Und außerdem hatte dieser Fremdling meinem Großvater einen großen Dienst erwiesen.“
„Darf ich erfahren, was für ein Dienst das gewesen ist?“
„Ja. Er war Steuermann eines Sklavenschiffes und sollte deshalb bestraft werden; der Christ ließ ihn heimlich entweichen. Wie kann ich da so undankbar sein, ihn wegen der Kadirine umzubringen!“
„Du hast recht gehandelt, und ich hoffe, es dir vergelten zu können.“
„Du, Herr?“
„Ja, ich. Du sprichst nämlich mit demjenigen, den du ermorden solltest, denn ich bin jener Effendi aus Deutschland.“
„Ist das wahr? Ist das auch nur möglich?“
„Es ist wahr. Frage meinen Begleiter hier, und außerdem kann ich es dir auch noch anderweit beweisen.“
„Das wäre ein Kismet, über welches ich mich freuen würde, wie ich mich in meinem Leben noch nicht gefreut habe.“
„Den Namen deines Großvaters hörte ich nicht nennen; ich habe denselben erst von dir erfahren. Er war Steuermann eines Schiffes, welches nach Siut bestimmt war und, als es den Hafen von Bulak kaum verlassen hatte, in Gizeh anlegte?“
„Das ist wahr, das stimmt!“
„Ich sollte mit diesem Schiff fahren. Des Abends kam der Gaukler an Bord, um mich zu bestehlen. Später sollte ich ermordet werden.“
„Auch das ist richtig. Ich habe es von meinem Großvater erfahren. Weißt du, wie das Sklavenschiff hieß?“
„Natürlich weiß ich es. Es war die Dahabiëh ‚es Semek‘, der Fisch.“
„Du sagst die Wahrheit, Effendi. Du bist der Mann, von dem ich spreche und der so gütig gegen meinen Großvater gehandelt hat. Herr, ich danke dir, ich danke dir!“
Er ergriff meine Hand und zog sie an sein Herz.
„Wie aber kannst du von mir wissen?“ erkundigte ich mich, „du kannst es nur von deinem Großvater erfahren haben. Dieser wollte nach Gubator zu seinem Sohn; du aber bist hier oben in Siut.“
„Er ist nicht nach Gubator. Er verschwieg dir seine Absicht. Du handeltest zwar gütig gegen ihn, aber du bist ein Christ. Soll ich dir noch mehr sagen?“
„Nein; ich verstehe dich.“
„Du mußt wissen, daß ich eigentlich mit zur Besatzung der Dahabiëh gehörte. Ich war bei der vorigen Talfahrt krank geworden und hier zurückgeblieben. Bei der Bergfahrt sollte ich wieder aufgenommen werden. Mein Großvater sprach zwar zu dir davon, daß er nach Gubator gehen werde. Aber die Behörde konnte nachforschen und erfahren, daß er dort zu Hause ist, und dann auf ihn fahnden. Darum ging er nicht dorthin, sondern nilaufwärts nach Siut, wo er wußte, daß ich auf ihn wartete. Er traf mich und erzählte mir, was geschehen war. Glücklicherweise fand er sofort Stellung auf einem Schiff, welches nach Khartum ging. Er blieb infolgedessen nur einen halben Tag hier und beauftragte mich, nach Gubator zu gehen, um der Familie mitzuteilen, welches Unglück ihm widerfahren sei.“
„Warum gingst du nicht? Warum bliebst du hier?“
„Ich wollte gehen; da aber begegnete ich Abd el Barak, dem Mokkadem der heiligen Kadirine – – –“
„Wo begegnetest du ihm?“ unterbracht ich ihn.
„Hier auf der Straße.“
„Kennst du seine Wohnung?“
„Nein. Er bestellte mich hinaus vor die Stadt. Als ich zu ihm kam, waren der Fakir und der Gaukler bei ihm, da forderten sie mich auf, dich zu töten.“
„Du kanntest mich doch nicht!“
„Oh, man wußte genau, daß du mit dem Schahin, dem Schiff des Raïs Effendina kommen würdest, und da solltest du mir gezeigt werden.“
„Du gingst also nicht auf die Mordtat ein. Wie wurde das aufgenommen?“
„Man täuschte mich; man tat, als ob man meine Weigerung gleichgültig aufnehme. Dann wurde ich von dem Fakir aufgefordert, mit ihm nach dem unterirdischen Grab eines Marabut zu gehen. Er führte mich hierher. Auch der Gaukler war mit.“
„Abd el Barak
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