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27 - Im Lande des Mahdi I

27 - Im Lande des Mahdi I

Titel: 27 - Im Lande des Mahdi I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewöhnlich feig; ich habe diese Erfahrung schon oft zu machen gehabt.“
    „Bei Selim ist es gewiß anders. Er hat mir einige seiner Erlebnisse erzählt, aus denen hervorgeht, daß er nicht nur ein furchtloser Streiter ist, sondern auch eine große Übung im Gebrauch der Waffen besitzt. Den Engländer, den ich soeben erwähnte, hat er so geohrfeigt, daß er tot liegengeblieben ist.“
    „Haben Sie das gesehen?“
    „Nein; ich weiß es nur aus seinem Bericht.“
    „So nehme ich das Gegenteil an. Der Engländer wird ihn geohrfeigt haben, so daß ihm die Lust, länger Fremdenführer zu sein, vergangen ist. Wäre es wirklich so, wie Selim sagt, so hätte es nur eines Wortes des englischen Konsuls bedurft, ihn in schwere Strafe zu bringen.“
    Wir hatten jetzt das Bierhaus erreicht und nahmen wieder an einem Tisch Platz. Um aber nicht wieder parterre zu geraten, hielt Murad Nassyr es für angezeigt, seinen Sitz, ehe er sich auf denselben niederließ, sehr eingehend auf dessen Festigkeit zu prüfen. Nachdem er sich befriedigt hatte, bestellte er zwei Flaschen Bier. Der Junge brachte sie und dazu zwei Wasserpfeifen. Dabei blinzelte er, ohne dieses Mal Furcht zu zeigen, den Dicken von der Seite so vertraulich an, daß es mir heimlich Spaß machte. Der Negerbube war ein höchst aufgewecktes Kerlchen. Er trug das Haar ganz glatt geschoren und war trotz seiner Jugend schon tätowiert. Er hatte einen tiefen Einschnitt zwischen den Augenbrauen, von welchem, als dem Zentralpunkt, kreisförmige, punktierte Linien sich nach dem Scheitel und den beiden Seiten der Stirn hinzogen, eine Art der Tätowierung, die bei allen Stämmen der Dinkaneger, und zwar sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen gebräuchlich ist. Wie ich sehr bald erfuhr, befand sich der kleine Kellner in einem immerwährenden Krieg mit dem Dicken. Der letzte Angriff von seiner Seite war gegen den Schnurrbart des Feindes erfolgt und hatte ihm die erwähnten ‚Katzenköpfe‘, aber auch einen Piaster Bakschisch eingetragen.
    Es war ein wunderbar eigenartiges Treiben, welches sich da vor dem Haus auf der breiten Gasse entwickelte. Von unserem Sitz aus konnten wir es in aller Bequemlichkeit beobachten, zumal es uns möglich war, die Straße eine ziemlich große Strecke auf- und abwärts zu überblicken.
    An der Ecke der Seitengasse, durch welche ich vorher gekommen war, hielten einige Hammars (Eseljungen), welche den Beruf in sich fühlen, hier die oft undankbare Rolle der Berliner Schusterjungen zu spielen. Der Esel ist im Süden ein ganz anderes Tier als im Norden, wo er als ein struppiges, verdrossenes Sinnbild der Borniertheit betrachtet wird. Ein ägyptischer Esel ist ein unermüdlicher, stets munterer Diener seines Herrn, der ihn mit wenig Futter und vielen Schlägen oder gar Fußtritten belohnt. Selbst mit dem schwersten Reiter auf dem Rücken trabt er Stunden weit, ohne zu ermüden und verfällt trotz dieser Last von Zeit zu Zeit in die mutwilligsten Kapriolen. Hinterher rennt schwitzend und pustend der Hammar, schlägt ihn, stößt ihn, versetzt ihm Fußtritte, oder wirft ihn mit Steinen, um seinen Lauf noch mehr zu beschleunigen. Diese Hammars sind wahre Menschenkenner, sie wissen auf den ersten Blick, ob sie einen Engländer, Franzosen, Italiener oder Deutschen vor sich haben. Von den Sprachen aller dieser Völker verstehen sie einige Worte und Redensarten; sie scheinen sogar einige Kenntnisse von der Geographie und Geschichte der betreffender Länder zu besitzen, wie die Art und Weise, in welcher sie zum Gebrauch ihrer Langohren auffordern, beweist. „Hier ist ein schöner Bismarck!“ schreit der eine, der einen Fremden kommen sieht, den er für einen Deutschen hält. Mit dem Bismarck ist natürlich sein Esel gemeint. „Here is a fine general Grant!“ ruft ein zweiter einem Yankee zu, und ein Engländer hört sich angeschrien: „Here is a good beefsteak, a celebrated Palmerston“, während ein gut republikanisch gesinnter Franzose hören muß: „Monsieur, voilà le plus grand Napoléon; j'ai l'animal, le plus préférable de la France!“
    Soeben setzten sich gerade vor uns zwei arabische Gaukler mitten auf der Straße nieder, um ihre Kunststücke zu zeigen. Einige Schritte von ihnen entfernt hatte ein Muhad'dit (Erzähler) einen Kreis Neugieriger um sich versammelt, um für zwei oder drei der kleinsten Münzen einige schon tausendmal gehörte Märchen vorzutragen. In der Nähe tanzte ein Negerjunge auf Stelzen und blies dazu auf einem

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