27 - Im Lande des Mahdi I
naseweise Junge auch traurig sein? Dann war es kein gewöhnliches, kindisches Herzeleid, welches ihn bewegte und ihm hier in dieser Umgebung, in dieser Öffentlichkeit das Wasser in die Augen trieb.
Der Blick der Kleinen entdeckte ihn in seinem Winkel; sie sah ihn weinen, und sofort fuhr auch sie mit den beiden Händen nach den Augen. Es mußte irgendein zärtliches Verhältnis zwischen den beiden schönen Kindern bestehen. Wie es eigentlich kam, und warum ich es tat, das vermag ich nicht zu sagen, aber ich war aufgestanden und ging in die Ecke. Als der Junge mich vor sich sah, stand er auf und wollte, ein leises Schluchzen unterdrückend, sich entfernen. Ich hielt ihn am Arm fest und fragte in vertrauenerweckendem Ton:
„Warum weinst du? Magst du mir das sagen?“
Er sah mir ins Gesicht, wischte sich die Augen tränenleer und antwortete:
„Weil niemand von Djangeh kauft.“
„Meinst du die kleine Feigenverkäuferin da drüben?“
„Ja.“
„Nun, du kaufst ihr doch ab; ich sah es schon einige Male.“
Er schien zu meinen, daß ich ihn damit der Leckerhaftigkeit anklagen wolle, denn er antwortete lebhaft und wie entrüstet:
„Ich habe die Feigen nicht gegessen; ich gebe sie ihr wieder, wenn der Gebieter vorüber ist. Ich habe nur gekauft, damit sie Geld bekommt, denn wenn sie am Abend nicht fünf Piaster bringt, so bekommt sie Schläge und nichts zu essen und wird mit den Händen und Füßen krumm an den Pfahl gebunden. Ich muß acht Piaster bringen. Heute habe ich schon vier als Bakschisch bekommen; der Herr des Bierhauses gibt mir täglich drei, so brauche ich für heute nur noch einen. Den wird mir schon noch jemand schenken, und so habe ich Djangeh zwanzig Para für Feigen gegeben.“
„An wen mußt du denn die acht Piaster entrichten?“
„An unseren Gebieter.“
„Der auch derjenige von Djangeh ist?“
„Ja; sie ist doch meine Schwester.“
„Und wer ist euer Gebieter?“
„Er ist ein böser Mann und heißt Abd el Barak.“
„Hat er euch denn von eurem Vater gemietet?“
„Nein. Unser Vater und unsre Mutter wohnen weit von hier. Er hat uns gekauft von dem Mann, welcher unser Dorf überfiel, unsere Hütten niederbrannte und uns dann mit vielen anderen gefangennahm, um uns zu verkaufen.“
„So seid ihr Sklaven, ihr Armen! Wie heißt das Land, in welchem ihr gewohnt habt?“
„Das weiß ich nicht, es hat keinen Namen. Der Fluß heißt Bahr el Abiad.“
„Aber wie dein Volk heißt, das kannst du mir sagen?“
„Ja; unsere Männer nennen sich Dongiol.“
„Weine nicht wegen heute; es soll euch nichts geschehen. Hier hast du zehn Piaster, welche du mit Djangeh teilen magst; sie soll zu essen haben und nicht krumm angebunden werden.“
Als ich ihm das Geld in die Hand legte, schossen ihm die Freudentränen in die Augen; er wollte sprechen, sich bedanken; seine Lippen bebten, aber er brachte die Worte nicht heraus. Eine Bewegung, welche er gegen die Straße machte, verriet mir, daß er gleich hinüber zu seiner Schwester wolle, um ihr das Geld zu geben; aber er besann sich und murmelte:
„Nein jetzt nicht, sondern erst dann, wenn der Gebieter vorüber ist.“
„Warum?“
„Weil er sehen würde, daß sie nicht für so viel verkauft, sondern das Geld als Bakschisch bekommen hat. Geschenke aber müssen wir abgeben, ohne daß er sie uns anrechnet.“
„So kommt er wohl oft hierher, um zu sehen, welche Geschäfte Djangeh macht?“
„Ja. Er kommt einmal am Vor- und einmal am Nachmittag, um das Geld zu holen. Ich verstecke es vor ihm und gebe ihm nur die acht Piaster, auch gebe ich zuweilen Djangeh etwas, wenn sie zu wenig hat. Das übrige vergrabe ich. Wenn ich genug habe, so kaufe ich mich und Djangeh frei und gehe dann mit ihr nach dem Bahr el Abiad zu den Dongiol.“
Das war eine sehr vertrauliche Mitteilung; er hielt mich für einen Menschen, dem er dieses Geheimnis anvertrauen könne, ohne von ihm verraten zu werden.
„Wie viel hast du denn schon gespart?“ erkundigte ich mich.
„Schon fast vierzig Piaster.“
„Und wie lange bist du bei Abd el Barak?“
„Viele, viele Wochen, und noch viel mehr Tage!“
„Ist's ein Jahr?“
„Das weiß ich nicht.“
Der Knabe verstand es nicht, die Zeit zu bestimmen; darum fragte ich ihn:
„Wie oft hast du schon den Aufbruch der Pilgerkarawane von hier nach Mekka gesehen?“
„Zweimal.“
„So bist du schon zwei Jahre bei ihm; merke dir das! Du siehst mich nicht zum letzten Mal! Ich werde noch oft hier Bier
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